stand
: Rennpferde und animierte Politiker

Election 2001 Special (Do./Fr., BBC World)

Natürlich sind wir neidisch auf die Briten. Nicht wegen Tony oder Cherie oder Baby-Blair. Der Grund liegt eher wieder einmal bei der BBC.

Während uns an den langen Abenden deutscher Urnengänge maximal schwitzende Wahlstudio-Wichtigtuer den Nerv rauben und die – schon dieses Wort! – Elefantenrunde das Höchste am Horizont hiesiger TV-Chefredakteure ist, zeigt Britanniens öffentlich-rechtliches Fernsehens wieder mal, was alles möglich ist. Und dank BBC World können wir wenigstens ein bisschen mitgucken.

Natürlich taugt das Mehrheitswahlrecht generell mehr für dramatische Inszenierungen als unser nur für Berufsmathematiker durchschaubares Hare-Niemeyer’sches System und den unvermeidlich folgenden bunten Säulen von Infas u. a.

Aber: Über 600 Parlamentssitze einzeln nach Ergebnis fernsehgerecht zu sortieren, will auch gekonnt sein. Und die BBC kann’s. Bzw. Peter Snow. Der ist als Analyst der Sitzverteilungen und Mehrheitsverhältnisse ähnlich enthusiasmiert wie die Herren von der ARD-Börse vor der „Tagesschau“ und präsentiert voll virtuell: Alle Wahlbezirke stehen vor ihm im Raum, eingefärbt nach Parteizugehörigkeit des gewählten MPs, wenn sich was ändert, rauscht’s wie auf der Anzeigetafel am Flughafen, wenn alle Flüge ausfallen.

Und dann kommt alles noch viel, viel schöner: Denn dann kommt die Sitzverteilung des Unterhauses als animierte Treppe in 3 D, und wenn plötzlich kleine Tony Blairs, William Hagues und natürlich auch Charles Kennedeys (für Banausen: Das ist der Chef der Liberalen) auf ihre Stufe klettern, denkt man unwillkürlich an Salvador Dalís Bilder von den zerfließendem Uhren, weil die Politikerpüppchen am Rande auch leicht fließend sind. Peter Snow rennt derweil durch diese surreale Kulisse und veranschaulicht Phänomene wie „Wählerwanderung“ oder tactical voting mit erhöhtem körperlichen Einsatz.

Auch die realen Politiker bekommt man natürlich zu Gesicht: im eigenen Wahlkreis, wo sie alle hinmüssen, und dann wieder in London. Und immer, immer tragen sie diese rosettigen Schleifen in ihren Parteifarben, wie es sie hierzulande nur beim Pferderennen gibt. STG