: Glücklich in Brüssel
Warum Deutschland vor Europa keine Angst mehr hat: Das NDR-Fernsehdrama „Die achte Todsünde“ über Zigarettenschmuggel zeigt's ■ Von Astrid Kusser und Massimo Perinelli
Kommende Woche zeigt die ARD den vom NDR produzierten Fernsehfilm Die achte Todsünde – Gespensterjagd, einen Zollfahndungskrimi über internationalen Zigarettenschmuggel. Katja Schütte (Maria Furtwängler) ist darin als deutsche Zollfahnderin für die europäische Sonderkommission OLAF in Brüssel unterwegs. Entlang der undichten Schengener Außengrenzen reist sie nach Malaga, Kiew und Piräus, auf der Jagd nach verlorenen Steuergeldern.
Der Film wendet sich den Drahtziehern im Geschäft mit unversteuerten Zigaretten zu und inszeniert multinationale Tabakkonzerne als unsichtbare und ungreifbare Bedrohung von „Außen“. So schafft er das Gegenstück zum rassistischen Bild des kriminellen Zigarettenschmugglers im Inneren, wie es seit den Neunzigern immer wieder in der Rede von der „Vietnamesenmafia“ beschrieben wurde.
Neu ist an der Geschichte, dass der Film im vereinten Europa spielt, in dem jetzt endlich die eigenen nationalen Interessen umgesetzt werden. Ein alter deutscher Traum wird wahr, Innenpolitik heißt jetzt Europapolitik. Auch die Gespensterjagd, die hier eröffnet wird, erinnert an alte Verschwörungsphantasien von der Bedrohung aus dem Osten und vom amerikanischen Finanzkapital im Wes-ten. Dieser Bedrohung begegnet der Film durch offensive Grenzüberschreitungen. Die deutsche Fahnderin bringt in Brüssel zögerliche französische und britische Fahnder auf Trab und fordert unkonventionelle Fahndungsmethoden im Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Statt Akten zu wälzen, will sie Schmugglerbanden gegeneinander ausspielen. Tatsächlich aber folgt die Mafia ihrer Spur und legt alle um, die mit ihr zusammenarbeiten wollen. Doch Oberfahnderin Schütte lässt sich davon nicht beirren, ihr geht es um Gerechtigkeit. Sie spricht mit der Betroffenheit eines „Bürgers in diesem Land, dem es stinkt, wenn Gesetze gebrochen werden“.
Der Film wird an solchen Stellen ungewollt komisch, und wir ahnen, warum die Geschichte so viele Morde braucht, um sich moralisch zu legitimieren. Denn eigentlich ist die Position der Zigarettenbosse, die hinter Rauchschwaden die Schurken mimen, viel überzeugender: Je höher die Steuern sind, desto größer ist auch die Nachfrage nach unversteuerten Zigaretten.
Dass der Film schlecht ist, eine biedere Story hat und inhaltlich kein bisschen überzeugt, ist eigentlich noch das beste an Gespensterjagd. Wenn Mittwoch ein paar Millionen ZuschauerInnen vor dem Fernseher sitzen und erzählt bekommen, dass Zigarettenschmuggel Die achte Todsünde sei, wird hoffentlich viel gelacht. Andererseits ist der Film vielleicht immer noch nicht schlecht genug, um wirklich harmlos zu sein. Am Ende könnte er durch die Strategie der deutschen Zollfahnderin, Grenzen zu verletzen, doch noch gefallen: Mit Sexappeal überschreitet „Germanía“ nationale und individuelle Grenzen: Schütte reist von Land zu Land und kommt Männern immer ein paar Zentimeter zu nahe. Das macht den Film zwar nicht sexy, weil der automatisierte Kamerablick nur unangenehm erotisiert. Aber in der Geschichte ist die deutsche Fahnderin gerade damit erfolgreich. Wenn sich Schütte bei ihrem griechischen Kollegen auf die Schreibtischkante setzt, kann der keinen Blick mehr von ihr lassen. Wie hypnotisiert greift er zum Telefon und erfüllt ihr jeden Wunsch.
Gespenstisch verbinden sich hier Sexismus und Rassismus: Wenn von der kühl berechnenden Deutschen die Rede ist, ist der feurige Südländer nicht weit, dem sie den Kopf verdrehen kann. Mit diesem unmotivierten Rassismus versucht der Film deutsche Überlegenheit zu inszenieren und verliert zunehmend den Bezug zur Ausgangsstory. Als der Programmchef des NDR bei der Pressepräsentation von Die achte Todsünde erklärte, dass die alte Zollfahnderserie Schwarz-Rot-Gold habe internationaler werden sollen, wollte er wahrscheinlich keinen Witz machen. Nach dem Film hört sich diese Ankündigung allerdings eher wie eine Drohung an.
Mi, 13.6., 20.15 Uhr, ARD
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