: Virtuelles Zwangsunternehmen
Obwohl das ihre Auflagen gefährden könnte, haben sich zehn Verlage zu einem Anzeigenportal zusammengetan
Alle Menschen werden Brüder. Jedenfalls virtuell: Das Internet kann aus Konkurrenten Partner machen. Zum Beispiel bei den zehn großen Verlagen, die momentan das Kleinanzeigenportal versum.de aufbauen. Beteiligt sind Branchenriesen wie der Axel Springer Verlag, die WAZ-Gruppe, Dumont Schauberg, Madsack und Holtzbrinck. Gemeinsam wollen sie Jobs, Autos und Immobilien ihrer Leser anpreisen. Jeder, der bei einer der beteiligten Zeitungen eine Kleinanzeige bucht, bekommt den Internetauftritt bei versum.de gratis dazu. Auch auf den Webseiten der konkurrierenden Zeitungen sollen alle Anzeigen erscheinen.
Ob sich das Kungeln mit der Konkurrenz lohnt, ist ungewiss – unabhängig davon, ob die Versum AG tatsächlich in drei Jahren mit Zusatzangeboten Gewinn bringt, wie es Vorstandsmitglied Kay Kohlhepp verspricht. Noch rätseln die Verlage nämlich, wie stark kostenlose Internetdienste mittelfristig an den Auflagen zehren.
Mit ihrem Anzeigenportal könnten die Zeitungen diesen Effekt verstärken und sich selbst schaden. Denn an Tagen mit ausführlichen Anzeigenteilen sind die verkauften Auflagen stets höher. Wer bislang gezielt die Ausgabe mit dem Stellenmarkt kaufte, braucht das nun nicht mehr. Im Internet bekommt er das Angebot umsonst – und das von 87 anderen Zeitungen gleich mit.
Doch dieses Risiko gehen die Verlage bewusst ein. Motto: Bevor uns die Konkurrenz frisst, kannibalisieren wir uns lieber selbst. „Es ist nun mal besser, man stellt seine Zeitungsanzeigen ins Netz, als dass man sie sich von reinen Internetanbietern wegnehmen lässt und gar nichts mehr verdient“, sagt Hans-Joachim Fuhrmann, Sprecher beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Die Verlage müssen eben reagieren. Zum Beispiel auf die Angebote der Scout24-Gruppe, hinter der die Metro AG steckt: Seit drei Jahren versucht sie, den Verlagen Kleinanzeigen für ihre Seiten abzujagen. „Als wir anfingen, haben die Zeitungen uns noch belächelt“, sagt Chief Executive Officer Christian Mangstl, der die spät erwachte Konkurrenz nicht fürchtet: „Wir werden definitiv eher Gewinne machen.“
Ein größeres Angebot beim Stellenmarkt haben allerdings die anderen. Auf über 65.000 Jobanzeigen verweist versum.de bereits jetzt, Scout24.de hat nur rund 25 000. Mitte Juni wollen die Zeitungen auch Immobilienanzeigen ins Netz stellen, ab Herbst sollen noch Kfz-Anzeigen folgen.
Dass die Verlage lieber riskieren sich selbst zu schaden, als tatenlos der stärker werdenden Konkurrenz im Netz zuzusehen, ist verständlich. „Bei manchen Zeitungen machen die Rubrikenanzeigen fünfzig Prozent der Werbeerlöse aus“, sagt Fuhrmann. Und der Markt entwickelt sich momentan nicht rosig: Im ersten Quartal gab es 16,7 Prozent weniger Kfz-Anzeigen. Im Vorjahr betrug der Rückgang 8,9 Prozent. Bei Immobilien sieht es kaum anders aus. Lediglich der Stellenmarkt boomt: Die New Economy sucht immer noch High Potentials.
Zwei Jahre haben die Verleger gebraucht, um sich auf Portal und Geschäftsmodell zu einigen. Ursprünglich wollte sich auch Gruner + Jahr beteiligen. Doch die mächtigen Hamburger stiegen schon in der Startphase aus. „Wir waren von dem Geschäftskonzept, bei dem viele Verlage mit zum Teil unterschiedlichen Interessen und Schwerpunkten in einen Topf geworfen werden, nicht überzeugt“, sagt Verlagssprecher Martin Kotthaus. „Fraglich schien uns auch die Durchsetzungsfähigkeit einer eigenen Marke im Internet – eine Sorge, die sich in den letzten Monaten bei vielen neuen Internet-Marken ja zum Teil bestätigt hat.“
So stehen Annoncen der Gruner + Jahr-Blätter nur auf den eigenen Seiten. Manche Konkurrenten macht eben auch das Internet nicht zahm.
RALF GEISSLER
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