: Ost-Airlines helfen bei Abschiebung
Nach dem Tod eines Abschiebehäftlings in einer Lufthansa-Maschine steuerte die Konzernleitung um. Die Maßnahmen waren seit langem vielen Piloten unangenehm. Mittlerweile bieten sich osteuropäische Fluglinien als billigere Alternative an
von MARINA MAI
Das bundesweite Netzwerk „Kein mensch ist illegal“ will mit einer Online-Demonstration am 20. Juni zwei Stunden lang die Homepage der Lufthansa blockieren und damit gegen die Beteiligung der Kranich-Airline an der deutschen Abschiebepolitik protestieren. „Die Lufthansa ist Adressat unseres Protestes, weil sie ein Image zu verlieren hat und wir mit Aktionen am effektivsten Abschiebungen entgegentreten können,“ sagt Sven Maier von der Initiative.
Was die Initiatoren nicht sagen: Im Abschiebegeschäft auf dem Luftweg gibt es seit zwei Jahren eine deutliche Verschiebung weg von der einstigen deutschen Staats-Airline hin zu Billiggesellschaften, die eigens Kleinmaschinen für Massenabschiebungen chartern. Einen Monat nach dem Tod des Sudanesen Amir Ageeb, dessen Kopf der Bundesgrenzschutz an Bord einer Lufthansa-Maschine gewaltsam in einen Motorradhelm gepresst hatte, beschloss der Unternehmensvorstand, keine unfreiwilligen Fluggäste mehr zu transportieren, die sich gegen die Abschiebung wehren. Begründet wurde das mit der Sicherheit an Bord – ein Ritt auf der Rasierklinge, denn aus anderen Gründen darf ein Luftfahrtunternehmen eine Beförderung nicht verweigern. „Auch aus dem restlichen Abschiebegeschäft würden wir uns gern verabschieden“, sagt Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty gegenüber der taz. Doch der rechtliche Rahmen lasse das nicht zu. „Wir haben eine Personenbeförderungspflicht. Zudem sind wir verpflichtet, Passagiere, die in unseren Maschinen ohne gültige Visa nach Deutschland einreisen, auf unsere Kosten zurückzutransportieren.“ Eine Lufthansa-Stewardess, die nicht genannt werden will, erklärt gegenüber der taz: „Anfangs waren es nur einzelne Piloten, die den Mut hatten, die Beförderung zu verweigern.“ Da die Flottenleitung keinerlei Sanktionen gegen sie ausübte, würden es in den letzten Monaten immer mehr. „Das sind keinesfalls immer humanitäre, sondern oft ganz pragmatische Gründe.“ Die Zufriedenheit der Mehrheit der Fluggäste sei beeinträchtigt, wenn in der letzten Reihe ein unfreiwilliger Fluggast sitze, eingerahmt von zwei BGS-Männern.
Weder die Lufthansa noch das Bundesinnenministerium wissen, wie viele Abschiebungen die Kranich-Airline noch durchführen wird. Die Zahl von 10.000, auf die sich antirassistische Gruppen stützen, ist überholt. Auch die Innenministerien der Bundesländer merken, dass sie Menschen, die sich wehren, nicht mehr mit Image-Airlines abschieben können. „Bei Personen, die gewalttätigen Widerstand gegen ihre Abschiebung leisten, sollen verstärkt Kleinstchartermaschinen (Lear-Jets) und Sammelrückführungen eingesetzt werden“, heißt es deshalb im Protokoll der Konferenz der Innenminister vom Mai vergangenen Jahres.
Was sich an Bord dieser Maschinen abspielt, findet dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ein weiterer Vorteil: Die Billig-Airlines unterhalten eigenes Sicherheitspersonal, das nicht auf das deutsche Grundgesetz vereidigt ist. Bereits im vergangenen Jahr wurde nach Angaben der Bundesregierung über die Hälfte der 10. 000 „begleiteten Abschiebungen“ statt durch den Bundesgrenzschutz durch private Sicherheitsdienste der Airlines, weitere 600 durch Beamte aus Algerien „abgesichert“. Im selben Zeitraum führte fast alle der 6.700 Charter-Abschiebungen die Fluggesellschaft Air Bosna durch. Die Menschen wurden ins Kosovo gebracht. Nach Kenntnissen von Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat gibt es wöchentlich bis zu drei Abschiebe-Charterflüge nach Priština: zumeist vom Baden-Airport Söllingen, von Düsseldorf und von Berlin-Schönefeld aus. Weil diese Flüge unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, seien rechtlich problematische Abschiebungen hier leichter möglich. Seit einigen Monaten bietet auch die rumänische Fluggesellschaft Tarom den deutschen Behörden Abschiebe-Charter-Maschinen an. An Bord sind der Initiative zufolge keinesfalls nur rumänische Staatsbürger, sondern auch Drittstaatler, die zurück in ihre Heimat sollen. Am Flughafen Otopeni in Bukarest betreibe die Airline, so die Initiative, eine „Art Haftzentrum, in den die Deportees bis zum Weiterflug eingesperrt werden“.
siehe auch kultur SEITE 13
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