: Gewaltschutzgesetz: Voraussetzungen fehlen noch
Vielleicht wären die Bluttaten des Sven Böttcher mit dem neuen Gewaltschutzgesetz, mit dem geänderten Hamburger Polizeigesetz und mit einer entsprechend geschulten Polizei zu verhindern gewesen. Vielleicht. Aber das Bundesgesetz – vollständig heißt es Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung – wird wohl erst zum Januar 2002 in Kraft treten. Und seine Wirksamkeit wird davon abhängen, wie gut sämtliche Verantwortlichen geschult und ausgestattet sind.
Das neue Gesetz will Frauen besser in die Lage versetzen, sich vor prügelnden, belästigenden oder übergriffigen Ehemännern, Lebensgefährten oder „Anbetern“ zu schützen. Die Frauen erhalten die Möglichkeit, bei häuslicher Gewalt oder – und das ist neu – bei Drohung mit Gewalt schneller und einfacher Hilfe zu bekommen. Hinzu kommt, dass auch das sogenannte „stalking“ erfasst wird, also das Überschütten mit ungewollten Aufmerksamkeiten.
Um sich vor derartiger Gewalt zu schützen, konnte die Frau auch bisher schon erwirken, dass dem Täter verboten wurde, die Wohnung zu betreten oder sich im Umkreis aufzuhalten, bestimmte Orte aufzusuchen oder Verbindung zu der Frau aufzunehmen. Anders aber als bisher ist der Verstoß gegen dieses Verbot strafbar, mit der Folge, dass nicht die Frau beweisen muss, dass ein Verstoß vorliegt – was ihr oft nicht gelingt –, sondern sich Polizei und Staatsanwalt einschalten, wenn sie derartiges meldet. Außerdem kann sie die Zuweisung der gemeinsamen Wohnung verlangen und muss nicht mehr ausziehen, um sich vor den Übergriffen zu schützen.
Kombiniert werden diese Ansprüche mit der Änderung des jeweiligen Polizeigesetzes, das der Polizei die Möglichkeit einräumt, einen gewalttätigen Mann bis zu 10 Tage aus der gemeinsamen Wohnung zu weisen und so der Frau oft erst ermöglicht, entsprechende zivilrechtliche Schritte nach dem Gewaltschutzgesetz einzuleiten.
Funktionieren kann dies allerdings nur, wenn alle Verantwortlichen gut und umfassend geschult werden, damit sie über die neuen Rechte informieren können und auch eingreifen. Und daran hapert es gut sechseinhalb Monate vor dem voraussichtlichen Inkrafttreten in Hamburg noch. Bisher sind keine Interventionsstellen geschaffen worden, und auch das Fortbildungsprogramm für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte steht noch aus. Hier ist noch viel – und bald – zu tun.
Denn mit einer polizeilich durchgesetzen Go-Order gegen Sven Böttcher und einem gerichtlichen Belästigungsverbot, dessen Einhaltung von der Polizei gewährleistet worden wäre, könnten vielleicht eine junge Frau und ihre zwei Töchter noch leben. Vielleicht.
Waltraut Braker
Die Autorin ist Fachanwältin für Familienrecht in Hamburg
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