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Justitia im Kreuzverhör

Diesmal in Hamburg: Der feministische Juristinnentag beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Rechtsprechung auf Frauen  ■ Von Doro Wiese

Weil Gesetze größtenteils nicht geschlechtsspezifisch formuliert oder angewendet werden, zementieren sie gesellschaftliche Ungleichheit: So berücksichtigt beispielsweise die Rentenreform nicht die Erwerbsbiographie von Frauen, und im Asylrecht werden frauenspezifische Fluchtgründe nicht anerkannt. Die meisten Besucherinnen des feministischen Juristinnentages beschäftigten sich deshalb mit den Auswirkungen von Rechtsprechung auf Frauen. Bereits zum 27. Mal gab es das Treffen von Anwältinnen, Richterinnen, Referendarinnen, Behördenmitarbeiterinnen und sonstigen interessierten Frauen. In diesem Jahr kamen sie Ende Mai für ein Wochenende in Hamburg zusammen.

Mit dem bundesweiten Treffen wollen Juristinnen Einfluss auf Gesetzgebung- und Anwendung nehmen. So verabschiedeten die Teilnehmerinnen auch in diesem Jahr wieder Resolutionen, die an die Bundesregierung weitergeleitet werden: Sie fordern diese auf, in der Asylpolitik die Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention in die derzeitige Ausformulierung des EU-Rechts aufzunehmen und frauenspezifische Fluchtgründe außerhalb staatlicher Verfolgung anzuerkennen: häusliche Gewalt beispielsweise, Massenvergewaltigungen oder soziale Normenüberschreitung. Zudem verlangen die Juristinnen, generell die Residenzpflicht für Asylsuchende aufzuheben.

Rund 20 Arbeitsgruppen tagten zu verschiedenen Themen. Neben der aktuellen Rechtspolitik wurden beispielsweise auch die Weiblichkeitsstereotype untersucht, die den Urteilen über NS-Täterinnen zugrunde lagen. Stilisiert zu Mitläuferinnen oder Bestien, welche die Grenzen „normaler Weiblichkeit“ überschreiten, dienten Kriegsverbrecherinnen zum Vor-Bild für öffentliche Diskurse um Schuld und Verantwortung. Die Kategorie Geschlecht erfüllte damit eine wichtige gesellschaftliche Funktion, referierte die Politologin Anette Kretzer: Sie konnte als Erklärungsmodell für das gesamte NS-Geschehen benutzt werden.

In anderen Arbeitsgruppen wurden neue Gesetzesvorlagen und Vorschläge diskutiert: So bemängelten die Juristinnen am Entwurf des Prostitutionsgesetzes, dass SexarbeiterInnen dann zwar Sozialleistungen beanspruchen können, es aber weiterhin keine rechtliche Anerkennung des Berufs gebe. Ferner seien MigrantInnen in der Gesetzesvorlage nicht berücksichtigt worden, obwohl sie zu einem hohen Prozentsatz in der Sex-Branche beschäftigt seien. Auch die Auswirkungen des Gender Mainstreaming wurden in Frage gestellt. Die staatlich angestrebte Sensibilisierung für Geschlechterfragen auch im Arbeitsbereich bleibe lediglich erzieherische Absicht, wenn Verstöße keinerlei Sanktionen nach sich ziehen, kritisierten die Teilnehmerinnen.

Deutlich wurde an beiden Gesetzesvorlagen, dass radikale feminis-tische Forderungen auf der Ebene der Rechtsprechung nicht durchgesetzt werden können. Auch das Embryonenschutzgesetz steht quer zu feministischen Sichtweisen: Es behandele die austragende Frau wie einen gebärenden Umraum, empörte sich eine Teilnehmerin. An diesem rhetorischen Wendepunkt kam plötzlich ein alter, frischer Wind auf, der aus der Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre herüber zu wehen schien.

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