Blech reden, Dosen retten

Die Verpackungsindustrie kämpft kurz vor der Entscheidung im Bundesrat gegen das Dosenpfand. NRW-Umweltministerin Höhn beharrt im taz-Interview auf ökologischen Kriterien

BERLIN taz ■ Wenige Tage vor der Bundesrats-Entscheidung über das Dosenpfand verstärkt die Verpackungs-Lobby ihren Kampf für das Weißblech. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn lehnte es dagegen im Gespräch mit der taz ab, die ökologischen Kriterien beim Umgang mit Einweg-Verpackungen aufzuweichen. Für die Einführung des Dosenpfands und gegen die CSU wollen heute in München die bayerischen Brauer demonstrieren.

Während in Berlin Bundesumweltminister Jürgen Trittin gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe und dem Naturschutzbund schon mal probehalber Dosenpfand auszahlte, verschärften die Spitzengremien der deutschen Wirtschaft ihren Widerstand. „Massiv“ belasteten Trittins Pläne den Mittelstand – und zwar von der Getränkeindustrie bis zu den Tankstellenpächtern, polterte gestern etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die Milliardenkosten stünden in keinem Verhältnis zum ökologischen Nutzen. Der Industrie- und Handelstag verlangte gar eine ersatzlose Streichung des Passus der Verpackungsordnung, auf dem die Pfandeinführung beruht.

Wie die Dosenpfand-Abstimmung am Freitag im Bundesrat ausgehen wird, ist völlig offen. Am Wochenende hatte Bayerns Umweltminister Schnappauf (CSU) einen Vorschlag präsentiert, der statt des Pfands eine Mindestabfüllmenge von Getränken in ökologisch sinnvollen Verpackungen vorsieht. Gestern zeichnete sich bei den unionsregierten Ländern – aber auch in Rheinland-Pfalz – eine Unterstützung dieser Alternative ab.

Entscheidend für die Abstimmung im Bundesrat wird die Position von Nordrhein-Westfahlen sein, die heute im Düsseldorfer Kabinett abgestimmt werden soll. Während Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold (SPD) eher dem bayerischen Konzept zugeneigt ist, lehnt Umweltministerin Höhn (Grüne) dieses ab. Gegenüber der taz bezeichnete Höhn den CSU-Vorstoß als „nicht konsistent“. Würde man die von Schnappaufs Vorschlag betroffenen Tetra-Packs und PED-Flaschen rausrechnen, bekäme man ein Ergebnis, „das unter der jetzigen Quote liegt“. Höhn schloss aus, dass NRW einer Alternative zustimmen wird, „die nicht den ökologischen Kriterien der Verpackungsordnung genügt“.

Zur Debatte steht auch, die gesamte Abstimmung von der Bundesratstagesordnung zu nehmen. Hintergrund sind Proteste Österreichs und Frankreichs bei der EU-Kommission. Im Bundesumweltministerium hieß es dagegen, es gebe für eine Verschiebung keinen Grund.

Die Mehrwegquote von 72 Prozent wird seit Jahren unterschritten. Jede dritte Getränkedose – insgesamt drei bis vier Milliarden jährlich – landet statt im gelben Sack in der Umwelt oder im Müll. Nach Trittins Plänen soll ab 2002 ein Pfand von mindestens 0,25 Euro (rund 49 Pfennig) pro Getränkedose und Flasche gezahlt werden. Finden die Länder keine neue Lösung, tritt automatisch die alte CDU-Verpackungsverordnung in Kraft. Danach würden Bierdosen und Weinflaschen mit Pfand belegt, nicht aber Cola-Dosen. NICK REIMER

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