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Leben als Momentaufnahme

Der Fußballclub BFC Türkiyemspor hat einen neuen Trainer: Uli Borowka, einst Fußballprofi bei Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen. Dann kamen die Probleme mit dem Alkohol

von MARKUS VÖLKER

Uli Borowka hat eine Fahne. Röstfrischer Atem weht dem Besucher entgegen. Schon das dritte Kännchen Kaffee am Morgen. „Entweder das, Cappuccino oder Apfelschorle“, sagt Borowka. „Ich bin jetzt klar im Kopf.“

Borowka ist stets in Gefahr, in dichten Nebel zu geraten. Er darf keinen Alkohol trinken. Nie mehr.

In seiner Zeit als Fußballprofi bei Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen war das Leben kaum mehr als der Ball am Fuß des Angreifers. Und der Ball musste weggedroschen werden. Borowka erledigte das rustikal. Sein Eisenfuß war berüchtigt. Probleme wurden einfach weggetackelt. So ging das auf dem Rasen. So wurde er sechsfacher Nationalspieler. So debüttierte er zu Ostern 1988 beim Vierländer-Turnier in Berlin gegen Diego Maradona. Draußen funktionierte das prompte Problemlösen nicht. Alkohol half.

Manchmal fuhr er direkt von der Kneipe zum Vormittagstraining. Dass irgendetwas nicht stimmte, ging ihm spät auf. Wohl erst in einer Klinik im Hochsauerland, in der Borowka vier Monate auf Entzug ging. Das war vor einem Jahr. Dort sei ihm vieles klar geworden, wenngleich er keine körperlichen Entzugserscheinungen gespürt habe. „Ich kann jetzt alles gut einschätzen“, glaubt er. „Ich hab’ so ein Gespür entwickelt.“

Dass er seine frisch erworbene Menschenkenntnis als Trainer umsetzt, hofft der Oberligist BFC Türkiyemspor. Der Kreuzberger Verein hat ihn als Trainer eingestellt. Manager Fikret Ceylan meint, Borowka sei der Einzige, der seinen Club weiterbringe. Der Vertrag ist leistungsbezogen. Türkiyemspor möchte aufsteigen in die Regionalliga. „Die, die da das Sagen haben, wollen wieder nach oben“, ahnt Borowka. Der Verein habe ihn „heftig umworben“. Borowka sagte schnell zu und dem Berliner AK ab.

Neun Spieltage vor Saisonende übernahm Borowka beim abstiegsbedrohten BAK das Training. Die Truppe blieb drin in der Oberliga. Wie das? „Naja, ich bin ja nicht mit einer Augenbinde durch die Welt gerannt.“ Soll heißen: „Ich habe sieben Jahre unter Jupp Heynckes trainiert und neun unter Otto Rehhagel, da ist was hängen geblieben.“ Ist es das?

Bisher impfte Borowka seinen Schützlingen sturen Kampfesmut ein. Seine Mannschaften stürzten sich mit Vehemenz auf Grasnarbe und die Schienbeine der Gegner. Der fürchtete sich also, wenn Borowkas Bolzer den Platz betraten. In der Oberliga gilt die rüde Attacke als probates Mittel, um Punkte zu sammeln.

Aber nicht nur mit basalem Handwerk soll es von den Niederungen des Berliner Fußballs nach oben gehen. Sein Lebensweg hat ihn obendrein gelehrt, dass es Regeln geben muss. Hackordnungen. Hierarchien. „Da muss sich jeder dran halten, da kann keiner ausbrechen.“ Vor allem dann, wenn Quertreiber „Aktionen starten“, werde er „fuchsteufelswild“ und nippt in aller Ruhe an der Tasse Kaffee. Großflächig erklärt er seine Fußballwelt des Irgendwie, Irgendwo, Irgendwas. Irgendwie sei das mit Türkiyemspor noch nicht zu Ende gedacht. „Schaun wir mal für ein Jahr oder so.“ Man wisse doch nie, wo es hingehe.

In der skandalträchtigen Zeit verschlug es Borowka nach Polen, zu einem Bremer Oberligisten, sogar zu Tasmania Berlin. Überall kam er nach kurzer Zeit nicht mehr zurecht. Irgendwohin werde es ihn sicher wieder verschlagen. Wohin? „Keine Ahnung, ich bin nach allen Seiten offen.“ Irgendwas werde jetzt schon passieren. Hoffentlich viel Positives, denn immerhin stehe der Name Borowka nicht mehr nur für Suff und Schlägerei. Erklärt er.

Es bleibt diffus. Der 39-Jährige, einst als „Klopper der Nation“ gefeiert, will „jetzt da mal auch mit der Jugend alles vernünftig reinbringen“ und dann „weiter sehen“. Als Fußballtrainer möchte er sich keineswegs profilieren, das habe er gar nicht nötig. Der Spott früherer Kollegen kümmere ihn nicht, so der gelernte Maschinenschlosser. Aber die interessieren sich eh längst nicht mehr für ihn. Nur Olli Reck ruft manchmal an. Und mit Dieter Burdenski tritt Borowka in der Traditionsnationalmannschaft ab und an gegen den Ball.

„Mein Leben ist eine Momentaufnahme“, sagt Borowka irgendwann. Und im Moment weiß er nur so viel: dass er seit mehreren Monaten clean ist.

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