: Frei und verfolgt
Die britischen Kindermörder Thompson und Venables sind acht Jahre nach ihrer Tat frei. Jetzt beginnt die Jagd
DUBLIN taz ■ Die beiden berühmtesten britischen Kindesmörder sind frei, doch in Frieden leben können sie nicht. Sie werden bis an ihr Lebensende von den Medien und von Lynchmobs gejagt. Ihre Tat hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Robert Thompson und Jon Venables hatten 1993 als Zehnjährige den zwei Jahre alten James Bulger aus einem Liverpooler Einkaufszentrum entführt und an einen Bahndamm verschleppt. Dort warfen sie Steine auf das Kind und schlugen es mit einer Eisenstange. Insgesamt brachten sie ihm 42 Verletzungen bei. Als sie ihn auf die Schienen legten, war James vermutlich tot. Ein Zug zerfetzte die Leiche am nächsten Morgen.
Der Mord löste eine solche Empörung aus, dass der Prozess unter größten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden musste. Thompson und Venables sind die jüngsten verurteilten Mörder seit 250 Jahren. Wären sie acht Monate jünger gewesen, hätten sie nicht belangt werden können. Großbritannien hat eine der niedrigsten Altersgrenzen für Strafmündigkeit in Europa: Sie liegt in England und Wales bei zehn, in Schottland bei acht Jahren. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte den Prozess als verfassungswidrig bezeichnet.
Thompson und Venables ist vom höchsten britischen Familiengericht lebenslange Anonymität zugesichert worden. Die beiden 18-jährigen haben neue Geburtsurkunden, Sozialversicherungsnummern, Pässe und Zeugnisse erhalten. Die Medien dürfen weder ihre neuen Namen und Adressen abdrucken noch über ihr Aussehen schreiben. Dieses Urteil gilt nur für England und Wales, nicht für schottische und ausländische Medien oder das Internet. Das Innenministerium befürchtet, dass ihre neue Identität bald bekannt sein wird.
Denise Fergus, die Mutter von James Bulger, sagte: „Die Mörder sind in ein Leben voller Luxus entlassen worden. Sie haben Bankkonten und werden rund um die Uhr beschützt. Sie mögen glauben, dass sie sich verstecken können. Aber egal, wohin sie gehen – jemand wird auf sie warten.“ Bulgers Vater hat geschworen, die Mörder seines Sohnes „zur Strecke zu bringen“.
Auch Innenminister David Blunkett meint, dass die Entlassung zu früh komme, doch er verteidigte die Entscheidung der Bewährungsbehörde. Experten haben Thompson und Venables vollständige Rehabilitation bescheinigt. Mittlerweile haben beide ihr Abitur bestanden, Thompson hat sich auf Modedesign spezialisiert, Venables will Journalist werden. RALF SOTSCHEK
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