piwik no script img

Bermudadreieck Kadetrinne

Die dänische Seesicherheit untersucht, ob der Tankerunfall in der Ostsee auf elektromagnetische Störungen durch Starkstromkabel zurückzuführen ist

KOPENHAGEN taz ■ Bei der Suche nach den Ursachen des Tankerunglücks in der Ostsee vom Frühjahr verdichten sich Vermutungen, dass ein Unterwasserkabel der eigentlich auslösende Faktor des Unfallhergangs gewesen sein könnte.

Als der Frachter „Tern“ in der Nacht zwischen dem 28. und 29. März mit dem Tanker „Baltic Carrier“ kollidierte und damit die schlimmste Ölpest in der Geschichte Dänemarks auslöste, war die Steueranlage des Tankers ausgefallen. Der Zusammenstoß selbst wäre zwar vermutlich vermeidbar gewesen, wenn die „Tern“-Besatzung professionell reagiert und rechtzeitig den Kurs geändert hätte, um die steuerlos treibende „Baltic Carrier“ nicht zu rammen. Trotzdem sucht die dänische Seesicherheitsbehörde vor allem nach den Ursachen für den plötzlichen Ruderausfall des Tankschiffs. Denn die „Baltic Carrier“ ist ein gerade ein Jahr altes, modernes Schiff, an dessen Steuersystem auch nach gründlicher Untersuchung im Nachhinein kein interner Fehler festgestellt werden konnte.

Nun nimmt die Behörde Messungen vor, mit denen sie herausfinden will, ob die unerklärliche Störung der Steuersystems durch Elektrosmog verursacht worden sein könnte. Die Vermutung: Elektromagnetische Störungen, die von dem Starkstromkabel zwischen Schweden und Dänemark, das genau am Unfallort die Kadetrinne kreuzt, ausgelöst wurden, hätten die Technik der „Baltic Carrier“ veranlasst, „verrückt“ zu spielen.

Niels Mogensen von der Seesicherheitsbehörde weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Laufe der letzten Jahre kleinere Schiffe wiederholt gemeldet hätten, sie seien im fraglichen Seegebiet von „mystischen“ technischen Störungen betroffen worden. Unter Seeleuten mache sogar der Vergleich mit dem „Bermudadreieck“ die Runde.

Palle Melchiorsen, Navigator an der Lotsenstation Spodsbjerg hat ebenfalls Erfahrung mit unerklärlichen Kursänderungen gemacht, von denen Schiffe an der Kreuzung Kadetrinne-Unterwasserkabel betroffen gewesen seien: „Irgendwo in der elektrischen Hierarchie, die Schiffsruder steuert, kann offenbar eine elektromagnetische Störung auftreten, welche das gesamte System stört.“

In Seekarten ist das 600 Megawatt-Kabel mit einem ausdrücklichen Hinweis auf mögliche Kompassabweichungen von bis zu 70 Grad vermerkt.

Dass die elektromagnetische Spannung, die Kompassnadeln orientierungslos macht, auch für die elektrische und elektronische Schiffstechnik verhängnisvoll sein könnte, wäre eine neue Erkenntnis. Gewarnt vor solchen Wirkungen haben verschiedene Experten allerdings schon seit mehreren Jahren.

1995 legte der Ingenieur Per E. Pedersen in der dänischen Fachzeitschrift Ingeniören Berechnungen vor, wonach es auf den genauen Winkel ankomme, mit dem ein Schiff in der Kadetrinne das Kabel kreuzt. Er warnte dabei davor, dass das Steuersystem eines Schiffes, das mit einem sehr schrägen Winkel in das Elektrofeld hineingerate, aus seinem Kurs gebracht werde und stattdessen der Richtung des Kabels folge. Genau das war der „Baltic Carrier“ bei ihrer unkontrollierbaren Kursänderung passiert, die das Unglück herbeiführte.

Die Tatsache, dass überhaupt Elektrosmog rund um das Kabel auftritt, ist der Sparsamkeit der Betreiber des „Baltic Sea“-Kabels, der Preussen-Elektra und der schwedischen Vattenfall, geschuldet. Unterwasserkabel können doppelte oder einzelne Kabelführung haben. Bei doppelter Kabelführung, mit der Wechselstrom übertragen werden kann, entstehen zwei Magnetfelder mit entgegengesetzter Richtung, die sich nahezu ausgleichen. Bei der – billigen – Einfachlösung wird der Strom nur in einer Richtung durch das Kabel geführt und durch das Wasser zurückgeleitet. Dabei entstehen kräftige Magnetfelder.

Die empfindliche Elektroniktechnik von Schiffen kann prinzipiell so abgeschirmt werden, dass sie gegen derartigen Elektrosmog vermutlich nahezu unempfindlich wäre. Doch gibt es dafür bislang noch keinerlei Vorschriften. REINHARD WOLFF

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen