Die Blechtrommel spielt in der Stadtwaage

■ Die Bremer Günter-Grass-Stiftung hat seit gestern ein Schaufenster in der Innenstadt und zeigt eine Ausstellung

Nach virtuellen Umzügen vom „Vorwärts“-Haus an der Sandstraße ins Polizeihaus Am Wall hat die Bremer Günter-Grass-Stiftung seit gestern tatsächlich eine neue Heimat für Ausstellungen und Lesungen gefunden. Die Sparkasse in Bremen stellte der Stiftung das Erdgeschoss der Stadtwaage an der Langenstraße zur Verfügung. Neben den soeben renovierten Büros in der International University Bremen (IUB) hat die Stiftung nun mitten in der Bremer Innenstadt ein Schaufenster für eigene Veranstaltungen. Zugleich hat sich der Stifterkreis formiert. Die Sparkasse, der Senat, Radio Bremen (RB), der Steidl-Verlag sowie die Unternehmer Bernd Hockemeyer und Dieter Berghöfer tragen je 20.000 Mark zum Stiftungskapital bei.

Bürgermeister Henning Scherf (SPD) räumte ein, dass sich die hoch gesteckten Erwartungen bei Gründung der Stiftung nicht erfüllt hätten. „Wir haben mit der Hoffnung angefangen, Millionen zusammenzutragen“, sagte Scherf, der Vorsitzender des Stiftungsrates werden will und soll. Doch obwohl die Initiatoren zunächst kleinere Brötchen backen mussten, sprach der SPD-Politiker nach dem Einstieg der Sparkasse gestern sogar von „einem guten Stück Vorwegnahme des Bremer Literaturhauses“.

Für diese von SchrifstellerInnen seit Jahren gewünschte Einrichtung scheint das historische Gebäude gut geeignet zu sein. Im oberen Saal veranstaltet die Sparkasse selbst Lesungen und will daran auch festhalten, betonte der Vorstandsvorsitzende Jürgen Oltmann. Er plädierte für eine Bündelung der Literaturprojekte. Zurzeit veranstalten das Bremer Theater, das Literaturkontor, Verlage, die Stadtbibliothek und viele andere Einrichtungen Lesungen und weitere literarische Veranstaltungen.

Der Stiftungs-Mitinitiator und kommissarische Leiter der RB-Kulturabteilung, Jörg-Dieter Kogel, freute sich, in der schwierigen Situation des Senders ein neues Projekt auf die Beine stellen zu können. Die Anstalt, die bis 2005 rund 50 Millionen Mark (über ein Viertel des Etats) einsparen muss, unterstützt das Vorhaben mit Geld und Personal. Der Literaturredakteur Harro Zimmermann arbeitet mehr und mehr als Geschäftsführer der Stiftung, die das audiovisuelle Werk des Literaturnobelpreisträgers erforschen und unter die Leute bringen soll. „Radio Bremen hat die meisten Tonaufzeichnungen von Günter Grass“, betonte Kogel.

Die Grass-Stiftung gehört nicht zur Radio-Bremen-Tochter „asap“ (asap = as soon as possible), mit der die Anstalt kommerzielle Aufträge an Land ziehen will. Kogel: „Uns geht es darum, das Wissen über Grass zu mehren und das Werk zugänglich zu machen.“ Trotz einer wachsenden Liste von Kleinsponsoren und Mitstiftern fällt für Bremen durch die Stiftung zunächst vor allem Ehre ab. Es gibt nicht viele Bremer Themen, über die überregional berichtet wird. Die Grass-Stiftung, die sich neben die Stiftungen und Archive in Lübeck, Marbach und Berlin gesellt, ist eins davon. Henning Scherf und der Vice President der IUB, Max Kaase, setzen jetzt auf den Bekanntheitsgrad Grass' in den USA. Auf Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) können sie jedenfalls nicht rechnen. Nach Scherfs Angaben begrüßt der das Projekt zwar, will es aber nicht dauerhaft aus dem Haushalt fördern.

Zur Eröffnung der Stiftungs-Repräsentanz in der Innenstadt ist eine Foto-Text-Ausstellung in der Stadtwaage zu sehen. Die bereits 1993 konzipierte und im letzten Jahr während der Frankfurter Buchmesse gezeigte Schau unter dem Titel „Danzig lesen“ vereint Fotos von Grass' Geburtsstadt mit Zitaten aus den sieben Danzig-Romanen. Angefangen mit Motiven aus der „Blechtrommel“ hat Szymon Jacek Gregor Schauplätze wie die Post oder den Ostsee-Strand fotografiert und chronologisch gehängt. Vor manchen Bildern ist beim Gucken die Maultrommel-Musik aus Schlöndorffs „Blechtrommel“-Verfilmung zu hören – virtuell, nicht tatsächlich. ck

„Danzig lesen“ bis zum 10. August in der Stadtwaage, Langenstraße 13. Öffnungszeiten: Di-Fr. 10-18, Sa+So 10-16 Uhr.