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So verdienen Sie Geld mit dem Wetter

von HANNES KOCH

1. Fangen Sie erst mal klein an: Wetten Sie auf mieses Wetter im Sommer.

Schlägt Ihnen schlechtes Wetter auf die Laune? Dann wetten Sie, dass es Bindfäden regnet, im Juli das Quecksilber nicht über 15 Grad steigt, das Islandtief erbarmungslos zuschlägt und die Geranien in den Blumentöpfen erfrieren. Richtig: Zum Wetten gehören mindestens zwei. Sie wetten auf extrem schlechtes Wetter, Ihr Wett-Partner auf gutes. Einsatz: 100 Mark. Wird das Wetter schlecht, bekommen Sie wenigstens das Geld. Wird es gut, sind Sie trotzdem glücklich.

2. Wenden Sie sich an Ihre Versicherung.

Wie Peter Linacre. Der praktiziert die höhere Form der Wetterwette. Den Geschäftsführer des Pubs „White Swan“ im schicken Londoner Stadtteil Twickenham bewegt ein Problem: Wie verdiene ich viel Geld mit wenigen Gästen? Nur wenn der Himmel freundlich gestimmt ist, drängeln sich die Leute auf dem Bürgersteig und der gegenüberliegenden Wiese an der Themse. Ein viel zu seltenes Glück in der Hauptstadt des miesen Wetters. Der Innenraum des Pubs bietet zwischen Rugby-Devotionalien und rustikaler Einrichtung nur 50 Gästen Platz – kein lukratives Geschäft. Die französische Bank Société Générale hilft Linacre aus der Klemme. Gibt es im Juni zu viele Freitage und Samstage mit Temperaturen unter 18 Grad und im Juli unter 20 Grad, zahlen die Franzosen Gewinnausfall. Verhagelt der nasse Westwind Linacre den Profit komplett, überweist die Bank bis zu 40.000 Pfund im Jahr. Linacre verliert dagegen die Versicherungsprämie, wenn die Sonne monatelang scheint. Das schreckt ihn nicht, denn dann ist der Rasen vor dem Pub sowieso voll.

3. Bilden Sie sich fort – lernen Sie über Wetter-Derivate.

„Derivate“ nennt man Wertpapiere, die von einem Basiswert abgeleitet sind und unter bestimmten Voraussetzungen eine Zahlung auslösen. Damit beschäftigt sich Jürg Trüb. Der gelernte Atmosphären-Physiker arbeitet bei der Schweizer Rückversicherung Swiss-Re. Er erklärt: Ein Wetterderivat basiert auf einem Index – zum Beispiel einer Statistik darüber, wie viel Energie im Jahresverlauf in Genf, Hamburg oder anderen Orten gebraucht wird, um eine normale Wohnung auf etwa 18 Grad zu erwärmen. In diese Kurve gehen die Außentemperatur ein und die Zahl der Tage, an denen geheizt werden muss. Dann einigen sich Verkäufer und Käufer des Wetterpapiers auf einen so genannten „Strike-Wert“ – das ist eine bestimmte Energiemenge, die man zum Beispiel zusätzlich braucht, weil der Winter kälter ist als normal. Wird diese einmal festgelegte Grenze überschritten, fließt Geld an den Besitzer des Papiers. Einen Markt für solche Kontrakte gibt es seit 1997. Trüb schätzt, dass bis heute maximal 5.000 Verträge mit einem weltweiten Gesamtvolumen von etwa acht Milliarden Dollar abgeschlossen wurden.

4. Machen Sie das große Geld – mit Wetter-Derivaten.

Allmählich kommt der Handel mit Wetter-Derivaten in Schwung. An der Börse in Chicago läuft er schon, in Europa ist man erst im Versuchsstadium. Aber seien Sie sorglos, das wird schon noch. Denkbar wäre dann Folgendes: Eine US-Investmentbank legt Wertpapiere auf, die für den Fall eines extrem warmen Sommers eine schöne Rendite versprechen. Gedacht sind sie zwar für Energieunternehmen in den USA, die sich gegen die Kosten hohen Strombedarfs durch Millionen auf Hochtouren laufender Klimaanlagen absichern wollen. Kaufen kann die Derivate über seine Online-Bank aber jeder. Vielleicht sind der Mai und der Juni außergewöhnlich kalt, der Preis der Wärme-Scheinchen wäre nicht der Rede wert. Gewitzt, wie Sie sind, greifen Sie zu. Dann steigen die Temperaturen und mit ihnen der Kurs Ihres Wetter-Derivates. Denn nun merkt auch der Letzte im Land, dass die Investmentbank die zugesagte Wärmerendite auch wirklich zahlen muss. Aber Sie waren schneller – und sind doppelt glücklich: Die Sonne knallt, und ihre billig erworbenen Papiere werden zum Geldquell. Den Sommer verbringen Sie auf Ihrer Yacht, im Winter reisen Sie an die Copa Cabana.

5. Handeln Sie mit Ihrem Energieversorger.

Kraftwerke sind dazu da, möglichst viel Strom oder Wärme zu produzieren. Dann rechnen sie sich – normalerweise. Das geht heutzutage aber auch anders. Der Berliner Energieversorger Bewag hat sich gegen einen zu warmen Winter versichert, erklärt Mitarbeiter Markus Hartwig. Das Unternehmen hat ein spezielles Problem mit den Temperaturen: Sein relativ neues Kraftwerk in Berlin-Mitte beispielsweise stellt gleichzeitig Wärme und Strom her. Bringt der Winter höhere Temperaturen als im langjährigen Durchschnitt, drosselt das Unternehmen logischerweise die Wärmeproduktion. Unerwünschter Nebeneffekt: Auch die hergestellte Strommenge nimmt ab. Die elektrische Energie muss dann anderswo zusätzlich produziert oder teuer eingekauft werden. Ein klassischer Fall für ein Wetterderivat – die Versicherung bezahlt der Bewag die ausgefallene Stromproduktion. Das Absicherungsvolumen beträgt einige Millionen Mark, 10 bis 15 Prozent davon bezahlt der Energieversorger als Prämie, die verloren ist, sollte der Winter normal kalt werden.

Dabei soll es nicht bleiben: Künftig wollen Energiefirmen selbst Derivate herausgeben, durch deren Kauf Sie sich vielleicht gegen die hohen Heizkosten ihrer Loft-Etage absichern können, sollte der Winter zu kalt werden. Oder andersherum: gegen die Kosten für die Klimaanlage, wenn der Sommer zu warm wird. Aber das ist eher unwahrscheinlich.

6. Steigen Sie richtig ein – studieren Sie Meteorologie.

100.000 Dollar Jahreseinkommen – so viel zahlen Investmentbanken und Versicherungen in den USA mittlerweile, wenn sie Meteorologen von der Uni wegkaufen. Seit der Markt für Wetter-Versicherungen, -Kontrakte, -Policen und -Derivate entsteht, werden Fachkräfte gesucht. Weil uns die Klimakatastrophe noch länger beschäftigen und die Verlässlichkeit der Prophezeiungen eher abnehmen wird, können Sie sich mit dem Abschluss ruhig Zeit lassen. Man braucht Sie auch in Zukunft noch.

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