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Auch die PDS will jetzt die Grenzen schließen

Neues Einwandern à la PDS: Jeder darf sein Glück versuchen. Doch wer keine Arbeit findet, muss wieder gehen. Asylrecht soll ausgeweitet werden

BERLIN taz ■ Die Grünen haben’s, die CDU hat’s, die FDP hat’s, und die PDS hat’s jetzt auch: ein eigenes Konzept zur Einwanderungspolitik. Dabei hätten die Genossen bei der Präsentation ihres Papiers am Mittwochmorgen fast mit leeren Händen dagestanden.

Die PDS-Fraktionsführung wollte unbedingt schneller sein als Rita Süssmuth. Deren Zuwanderungskommission will ihre Ergebnisse Mitte nächster Woche veröffentlichen. Also hatten Fraktionschef Roland Claus und seine Stellvertreterin Petra Pau darauf gedrängt, das Eckpunktepapier zur Einwanderung von der Bundestagsfraktion schon diese Woche beschließen zu lassen. Doch bei der entscheidenden Sitzung am Dienstagabend war der Widerstand so groß, dass es lange so aussah, als würde die Fraktionsspitze ohne ein Einwanderungspapier nach Hause gehen. Am Ende einer heftigen Debatte wurde es dann aber doch mit 16 Ja- bei 9 Neinstimmen und 2 Enthaltungen angenommen. Am Morgen danach saßen Claus und Pau, die Autorin des Konzepts, mit entspannten Mienen vor den Journalisten. Ihnen war die Erleichterung darüber anzusehen, dass die PDS auf einem Feld, das sie bisher vernachlässigt hat, endlich etwas vorweisen kann. Dabei stellt das Eckpunktepapier eine teilweise Abkehr von der bisherigen Einwanderungspolitik der PDS dar. Grundsätzlich soll nicht mehr einwandern dürfen, wer möchte, so wie es noch im Parteiprogramm steht. Die Partei fordert jetzt einen individuellen Rechtsanspruch auf Einwanderung. Quotierungen und Punktesysteme lehnt die PDS ab.

Einwandern darf nach dem Willen der Partei, wer völkerrechtliche Ansprüche geltend machen kann, wer ein Studium beginnen möchte, ein Unternehmen gründen will oder einen Arbeitsplatz vorweisen kann. Ausländern soll außerdem das Recht eingeräumt werden, sich innerhalb von sechs Monaten eine Arbeit in Deutschland zu suchen. Wem dies nicht gelingt, der muss wieder ausreisen. Pau räumte gestern ein, dass es in solchen Fällen vereinzelt auch zu Abschiebungen kommen könne. Sie lasse sich deswegen aber noch lange nicht als Baumeisterin von Abschiebeknästen beschimpfen.

Nach Ansicht von Fraktionschef Claus bricht das PDS-Papier mit zwei Leitbildern der gesellschaftlichen Einwanderungsdebatte: Ausländer seien weder Lückenbüßer für Arbeitsmarktengpässe noch eine potenzielle Bedrohung der inneren Sicherheit. Die PDS unterscheide nicht zwischen „nützlichen“ und „unnützen“ Migranten und wolle sich nicht an deutschen Wirtschaftsinteressen orientieren. Integration beschreibe vielmehr einen Prozess, der sowohl von der Aufnahmegesellschaft als auch von den Einwanderen zu leisten sei. Die Forderung nach „offenen Grenzen für Menschen in Not“ bezeichnet die PDS für sich als „nicht verhandelbar“. Um die Forderung gesetzlich voranzutreiben, müssten Asyl- und Flüchtlingsrecht ausgeweitet werden, etwa durch Aufweichung der Drittstaatenregelung, Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung, Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und der Flughafenverfahren.

Das Einwanderungspapier findet in der Partei und bei ihren Wählern nicht nur Freunde. Den einen geht es entschieden zu weit. Das dürften die knapp 20 Prozent der PDS-Anhänger sein, die sich laut einer Emnid-Umfrage von Anfang des Jahres vorstellen können, „unter bestimmten Umständen“ eine rechtsextremistische Partei zu wählen. Den andern geht das Papier in seiner Freizügigkeit nicht weit genug. Zu ihnen zählen die linken Kritiker in der Fraktion, darunter Ulla Jelpke und Angela Marquardt. Sie werfen Pau vor, ihr Papier symbolisiere den Einstieg in eine Abschiebepolitik. JENS KÖNIG

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