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Die ersten Reporter am Zug

Bei Schach-Weltmeisterschaften sind indische Journalisten eher da als der Rest der Welt. Sie schreiben über ihren Weltmeister Viswanathan Anand. Die Berichterstattung über ihn bricht Rekorde

aus Mainz HARTMUT METZ

„Noch führen wir 5:2“, ulkte der indische Journalist Arvind Aaron, als der zweite deutsche Medienmann das Pressezentrum der Chess Classic Mainz betrat. Während die hiesigen Medien erst am Montag, nachdem das „Duell der Weltmeister“ zwischen Viswanathan Anand und Wladimir Kramnik begann, die Rheingoldhalle bevölkerten, rückten bereits vorige Woche fünf indische Schachjournalisten an.

Das Quintett interessierte sich nur am Rande für das mit 37 Großmeistern besetzte offene Turnier. Für die Schar vom Subkontinent war der sportlich bedeutungslose Schaukampf Anands am Abend viel wichtiger. Aaron verfolgt den Großmeister seit 1992 zu fast allen Turnieren. „Ich bin sicher öfter mit ihm unterwegs gewesen als seine Frau“, sagt der 37-Jährige.

Dass das königliche Spiel die indischen Leser interessiert, erkannte zunächst nur The Hindu. Das zweitgrößte Blatt des Landesmit über 20 Millionen Lesern, schickte Aaron dem klugen Anand hinterher. Zwischen den beiden entwickelte sich eine Freundschaft. So ist es für den Journalisten leicht, schnell an Informationen zu kommen, wenn die Redaktion in der Heimat nach 3.000 Wörtern lechzt.

Aber auch andere Medien können vom Schach nicht genug bekommen. Mit über 4.500 gesendeten TV-Stunden fand der emsige Regisseur Vijay Kumar sogar Eingang ins „Guinness-Buch der Rekorde“. Ein Weltrekord, den der Chefproduzent des Sportkanals „Doordarsham“ nun um weitere vier Stunden übertraf.

Die Internetseite Chaturangam.com verbuchte während des Triumphzugs des neuen Weltmeisters, den die Fans „Vishy“ nennen, pro Tag über eine Millionen Zugriffe. Kein Wunder, meint deren Berichterstatter Vasudevan: „Vishy ist wunderbar. Was er alles für den Schach in unserem Land tut!“ Insbesondere Vasudevan steht der Superstar bereitwillig Rede und Antwort, denn mit ihm spielte er früher im Tal Chess Club von Madras.

Wenn die potenziellen Nachfolger des Weltmeisters Anand, Sasikiran und der 15-jährige Harikrishna, sich auf die Reise zum Turnier in der Schweiz machen, wird der indische Journalistentross ihnen über Mainz und Dortmund nach Biel folgen. Im Pressezentrum der Chess Classic wird bereits gewitzelt, dass das ganze Hotel während des Turniers bald von schreibenden Indern belegt sein wird.

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