Dollars kitten den Staatenbund

Die Auslieferung von Slobodan Milošević nach Den Haag hat die Bundesrepublik Jugoslawien in die nächste Krise gestürzt. Dennoch wird die Bundesregierung wohl vorerst erhalten bleiben. Das erfordert nicht zuletzt die Finanzspritze der Geberländer

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Pragmatisch und entschlossen übergab die Regierung Serbiens am Donnerstag Slobodan Milošević dem Haager UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien. Die internationale Gemeinschaft gratulierte dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjić, lobte ihn als „mutig, weise und kooperativ“ und machte den versprochenen Cash für den Kopf des Exdiktators locker: Am Freitag wurden fast 1,3 Milliarden Dollar für das wirtschaftlich und sozial ruinierte Jugoslawien eingesammelt.

Doch die Föderation zwischen Serbien und Montenegro, für die das dringendst nötige Geld bestimmt ist, droht nun an der Auslieferung von Milošević zu zerbrechen. Die Abgeordneten der montenegrinischen Sozialistischen Volkspartei (SNP) und Bundespremier Zoran Zizić boten aus Protest ihren Rücktritt an. Die SNP war vor der Wende in Serbien Verbündete von Milošević und betrachtet die Auslieferung von jugoslawischen Staatsbürgern als „verfassungs- und gesetzwidrig“.

In den vergangenen Tagen wurde die ganze Sinnlosigkeit der jugoslawischen Föderation wieder deutlich: Die eine Selbstständigkeit anstrebende montenegrinische Regierung, angeführt von Präsident Milo Djukanović, erkennt die Bundesinstitutionen ohnehin nicht an. So ist die Bundesregierung nichts anderes als eine belastende zweite Regierung Serbiens. Sie koste nicht nur viel, sondern ermögliche auch der in Montenegro oppositionellen SNP, sich in die serbischen innenpolitischen Verhältnisse einzumischen, erklärte Djindjić am Wochenende. Durch vorgezogene Bundeswahlen kann die tiefe Krise der Bundesregierung nicht gelöst werden, denn Djukanović würde sie erwartungsgemäß wieder boykottieren.

Das in Serbien regierende, aus achtzehn Parteien bestehende Bündnis DOS kann allein mit der SNP und anderen projugoslawischen Kräften in Montenegro nicht Jugoslawien, sondern lediglich den langfristig unhaltbaren Status quo erhalten.

Trotzdem wissen die Führer der DOS, dass die positiven Ergebnisse der Auslieferung von Milošević zunichte gemacht werden, wenn die jugoslawische Regierungskrise nicht – zumindest kurzfristig – überwunden wird. Serbien benötigt vorerst eine jugoslawische Bundesregierung, denn nur sie kann die von der Geberkonferenz zugesicherte finanzielle Unterstützung umsetzen. Außerdem wurde nach der Entmachtung von Milošević die Bundesrepublik Jugoslawien wieder in internationale Institutionen aufgenommen. Nach einem Zerfall des Bundesstaates würden alle bisherigen internationalen Verträge Makulatur, für Jugoslawien vereinbarte Auslandsinvestitionen ausbleiben. Serbien und Montenegro müssten sich erneut für die Aufnahme in die Weltbank und den IWF anstellen, was wirtschaftliche Reformen verzögern würde.

Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Bundesrepublik Jugoslawien mit einer ausschließlich wirtschaftlich orientierten Übergangsregierung trotz aller Schwierigkeiten vorerst erhalten bleiben wird.