: Deutsche Sprache, lustige Sprache
■ Vergnüglich: Eröffnung der ersten Autorentheatertage Hamburg im Thalia in der Gaußstraße Von Karin Liebe
Lustig war's. Schon die erste Lesung ein Lacherfolg: Im schräg zum Publikum aufgestellten Bett schlüpften ein Mann (Helmut Mooshammer) und eine Frau (Victoria Trauttmansdorff) unter die Decken und gaben stehliegend allerlei Banales von sich: „Kaufst du Brot?“ „Mir ist schlecht.“ „Mir ist langweilig.“ „In Zermatt tanken wir auf.“ „In Zermatt werden wir schön.“ Durch kleine Abweichunge wurde aus dem Alltagsgeplapper vor und während einer Reise ans Matterhorn ein urkomischer Singsang. Da kann man den beiden Juroren Roland Koberg von der Berliner Zeitung und Wolfgang Kralicek vom Wiener Falter, die aus über 160 Stücken sieben für die ersten Autorentheatertage Hamburg auswählten, nur zustimmen: Das Matterhorn ist schön vom Schweizer Autor Beat Sterchi war ein schöner Auftakt.
Doch auch die Eröffnungsrede der Juroren selbst hatte es in sich. Keine Spur von dröger intellektueller Ansprache, nein, die zwei Theaterkritiker legten selbst eine kleine Performance hin. Sie lasen ihre E-Mail-Korrespondenz zu der Zeit vor, als sie sich durch Berge eingesandter Stücke wühlen mussten. Da beklagt sich der eine, seine Kiste sei mit 80 Stücken gefüllt, und der andere kontert: Meine hat aber 82. Die zwei ewig gestellten Fragen an Juroren, die da heißen: 1. Kriterien ihrer Auswahl und 2. Zustand des Gegenwartstheaters, wurden ironisch abgebügelt. „Mit den besten Kriterien, dein Wolfgang“ hieß es, oder: „Im guten Zustand, dein Roland“.
Aber auch ernsthafte Erkenntnisse kamen ans Tageslicht. So erkannten die Juroren bei den eingesandten Stücken einen Trend zum privaten, realistischen Theater. Und: „Wir müssen aufpassen, dass es keine Frauentheatertage werden.“ Obwohl zwei Drittel der Einsender Männer waren, kamen die besten Stücke von Frauen – was sich auch in der Endauswahl spiegelt: Vier Frauen (Sigrid Behrens, Felicia Zeller, Almut Tina Schmidt, Soma Amos) und drei Männer (Beat Sterchi, Guido Koster, Thilo Reffert) werden in vier Lesungen und einer Langen Nacht der Autoren mit drei Werkstattinszenierungen bis zum 8. Juli ihr dramatisches Talent zeigen.
Eine Kostprobe lieferten sie schon am Eröffnungsabend beim Open Mike in Kurzlesungen. Thilo Reffert, der mit seinem Stück Schicht bei der Langen Nacht der Autoren am 7. Juli dabei sein wird, las zwei Mini-Stücke vor. In atemlosen Tempo gab er urkomische Kürzestdialoge zum Besten und persiflierte den Prozess des Stückeschreibens und Stückevermarktens. Auch Felicia Zeller, deren Stück Vom Heinrich Hödel und seiner nassen Hand am 6. Juli als Lesung gezeigt wird, bewies komödiantisches Talent. Ihr Auftritt verulkte Smalltalk-Gestammel mit Erinnerungslücken. Da hatten es die „ernsteren Autoren“ natürlich schwerer – und die, die in der Kunst der Selbstdarstellung nicht so bewandert sind. Ernste Worte fand auch Intendant Ulrich Khuon. In seiner Begrüßungsrede zeigte er kein Verständnis für zwei Hamburger Intendanten, die jüngst verkündeten, in der nächsten Spielzeit wegen mangelhafter Dialogqualitäten keine Stücke deutschsprachiger Autoren aufzuführen. Solche „Sätze von schöner großstädtischer Einfachheit“, so Khuon, erinnerten ihn an Einzelhändler, die sagen: „Wir haben Gucci und Calvin Klein im Sortiment.“ Er hingegen besitze „große Wertschätzung für deutschsprachige Autoren“. Was in der nächsten Woche geballt auf dem Prüfstein steht.
Vollständiges Programm unter HYPERLINK „http://www.thalia-theater.de“ Im Rahmen der Autorentheatertage heute 18 Uhr Lesung (Eintritt frei) Indiskrete Blicke von Guido Koster, Bar Nachtasyl im Thalia (und nicht, wie von uns irrtümlich verkündet, im Thalia in der Gaußstraße), im Rahmen der Autorentheatertage: 20 Uhr Thalia: Gastspiel Volksbühne Berlin: Volksvernichtung von Werner Schwab; 20 Uhr Thalia in der Gaußstraße: Täglich Brot von Gesine Danckwart.
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