Der Dionysos von Los Angeles

Hans Pfitzinger hat eine coole Monografie über Jim Morrison und die Doors geschrieben. Und erklärt uns dabei ganz nebenbei die Zeit vor Achtundsechzig

Es passiert selten, dass ein großartiger Rocksong und ein Stück großartiges Kino zusammenkommen. Üblicherweise missbraucht das Kino den Hit, um die Filmszene aufzupeppen. Aber einmal, da stimmte die Sache. Als Francis Ford Coppola den Soundtrack zu „Apocalypse Now“ mit „The End“ von Jim Morrison und den Doors nicht nur eröffnete, sondern auch beendete, kamen Musik und Bilder in einen ziemlich unvergesslichen halluzinatorischen Gleichklang. Man möchte wetten, wenn die Kids heute wieder Doors hören, dann vor allem deshalb, weil auch Coppolas „Apocalypse“ in den Kinos wieder zu entdecken ist.

„The End“ von den Doors entstand lange vor Coppolas Abgesang auf Amerikas Versagen in und an Vietnam. Als der Song auf der ersten LP der Band im Januar 1967 herauskam, war LSD noch ein vollkommen legales Produkt der pharmazeutischen Industrie; es war die Zeit, bevor Brian Jones, Jimi Hendrix und Janis Joplin starben; Martin Luther King und Robert Kennedy ermordet wurden; bevor Benno Ohnesorg, von Polizeikugeln getroffen, verblutete. Es war die Zeit, bevor das Massaker der US-Army in einem Ort namens My Lai in die Geschichtsbücher zum Vietnamkrieg einging.

Ja, es gab ein Davor. Nach der leidigen 68er-Debatte erinnert man sich jetzt noch ein weiteres Mal daran, wenn man Hans Pfitzingers Doors-Monografie liest – weil er daran erinnert. Und das ist gleich mal ein wahrlich lobenswerter Aspekt seiner Hommage an Jim Morrison, Ray Manzarek, John Densmore und Robby Krieger. Pfitzinger geht nicht schnurstracks, sensations- und verkaufsfördernd auf die dunkle Seite der 60er-Jahre los, auf den düsteren Glamour seines hauptsächlichen Protagonisten, des Dionysos von Los Angeles, Jim Morrison; Tod und Verderben sind Teil seiner Geschichte, aber nicht ihr Ziel. Der Autor hat eben den Vorteil, Angehöriger der 68er-Generation zu sein; in den 70er-Jahren studierte er Politikwissenschaft in Berkeley und berichtete von der Westküste aus für die Hamburger Musikzeitschrift Sounds, bevor er in München, wo er heute noch lebt, als Redakteur arbeitete, unter anderem auch für Hans Magnus Enzenbergers TransAtlantik.

Obwohl der Autor also das Ende nicht ständig am Horizont dräuend mitführt, beginnt das Buch ganz selbstverständlich mit dem Finale auf dem Friedhof Père Lachaise. Dafür verzichtet Pfitzinger dann darauf, die anderen berühmten Toten des Pariser Stadtfriedhofs wie Marcel Proust oder Oscar Wilde anzuführen, weil hier das Genie unter Genies liege. Er erspart sich auch großartige Spekulationen zum Tod in Paris, heute vor dreißig Jahren. Stattdessen spricht er vom Alkoholismus des Lizard King, wie er die berühmten Cafés am Boulevard Saint Michel abklapperte und sich in die Bistrokultur verliebte: „Eine Stadt, in der man alle paar Meter eine Theke findet und etwas trinken kann, musste Jim Morrison wie ein Traum vorkommen.“

Entsprechend frisch, unkompliziert und schnell liest sich „The Doors/Tanz im Feuer“. Hans Pfitzinger schreibt eben cool. Wenn „cool“ die meisterhaft kontrollierte Inszenierung des heißen Herzens bedeutet, wie es Ulf Poschardt richtig beobachtet hat. Und deshalb gelingt es ihm auch leichthin, gewissermaßen unter der Hand, deutlich zu machen, aus welcher großartigen poetischen und musikalischen Begabung der Sound der Doors stammte; welche Rücksichtslosigkeit und welches Selbstbewusstsein sich in der Musik der Gruppe manifestierte; welche Aufsässigkeit im Lebensstil ihr jene besondere Nachdrücklichkeit gab, die noch heute ihre Wirkung entfaltet.

BRIGITTE WERNEBURG

Hans Pfitzinger: „The Doors/Tanz im Feuer“. Lotsch Verlag, München 2001, 230 Seiten, 18 DM