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Schneller, höher, weiter

■ Roman Polanski und Werner Herzog: Sportlerfilme im Lichtmeß

Zwei Sportler, zwei Porträts – sollte man meinen ... Das Lichtmeß zeigt heute ungewöhnliche Sportreportagen aus den Siebzigern: Weekend of a Champion (1971) von Roman Polanski und Frank Simon über den Formel 1-Fahrer Jackie Stewart, dazu Werner Herzogs Die große Extase des Bildschnitzers Steiner (1974), eine Studie über das Skifliegen.

Weekend of a Champion – mit einem Cameo-Auftritt von Ringo Starr – wurde an einem einzigen Wochenende in Monte Carlo gedreht. Mangelnde finanzielle und zeitliche Ressourcen ließen Po-lanski wie einen Irren um Stewart herumhetzen, um alles, das Vor-dem-Rennen, das Danach, das Rennen selbst wie den Privatmann Stewart einzufangen. Sicher, es ist das Porträt eines herausragenden Rennfahrers, mit großem Ernst ist dessen Charme wiedergegeben. Doch ebenso hätte es ein schreiend komischer Film über Polanski unter dem Titel „Wochenende eines Rennfilmers“ werden können.

Stärker noch als Weekend of a Champion birgt Die große Extase des Bildschnitzers Steiner im Grunde zwei Porträts. Pathos-Boy Herzog verrät mit seinem – vom getragenen Tonfall einmal abgesehen – im Stile eines Sportreporters vorgetragenen Kommentar viel mehr über sich selbst als über Walter Steiner. Schon sein sexy Skianzug mit knalligem Fünfzack auf der rechten Brust verrät etwas über die eigenen Wünsche. In einem Interview sagte Herzog einmal: „Ich hatte als junger Kerl die wirre Idee, selber Welt-meister im Skifliegen zu werden.“

Steiner sprang damals – Jahrzehnte vor der Einführung des V-Stils – häufig 30 oder 40 Meter weiter als seine Kollegen, verkürzte oft noch den Anlauf, um die Konkurrenz nicht zu sprengen. Doch wenn Herzog im Film sagt: „Für mich persönlich ist Steiner der größte Skiflieger, den es jemals je gegeben hat“, bleibt das dank des schüchternen Auftretens des Weltmeisters selbst als übersteigerte Bewunderung eines Filmemachers stehen, zu dessen Selbstinszenierung immer die Suche nach dem Extremen gehörte.

Herzog macht den Rausch des Skifliegens mit einer überwältigenden 20-fach verzögerten Zeitlupe ansichtig, aber auch die Angst der Sportler vor der Schanze. Im Film scheint es, als misslängen mehr als fünfzig Prozent der Sprünge und endeten mit lebensgefährlichen Stürzen. Zwei Jahre danach erst trugen die Skispringer und -flieger regelmäßig Helme. Dem Schneller- und Höher-Wahn der Sportart skeptisch gegenüber, spricht Steiner an einer Stelle den – auch für den Rennsport – denkwürdigen Satz: „Manchmal komme ich mir vor, wie in einer Arena, und 50.000 warten darauf, dass ich zerschelle.“

Christiane Müller-Lobeck

heute, 20 Uhr, Lichtmeß

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