: Die Sterne kommen bestimmt
Mochitos und Gambaspießchen: Heute beginnt das zweiwöchige Konzert- und Filmfestival auf der Museumsinsel
Im Schatten der Arkaden weht ein leichter Wind, der das blaue Leinen der Liegestühle ebenso sanft bewegt wie das Gras vor der Alten Nationalgalerie. Die Museumsinsel ist ein fast unwirklicher Ort. Einst sozialistisches Vorzeigeobjekt, jetzt schwermütig romantische Kulisse für abendliche Liebesspaziergänge durch den Monbijou-Park. In den Sommermonaten wird vor den Museumsmauern gegen zehn Uhr abends eine Großbildleinwand auf 14 x 16 Meter aufgeblasen, um alte UFA-Filme oder Arthaus-Produktionen zu zeigen, ergänzt durch vorangehende Lesungen oder Konzerte.
In den zu mietenden Liegestühlen oder auf Decken, in der Hand ein Glas Wein, liegt man hier unter den vorbeiziehenden Wolken und kann auf die Sterne warten. Die Filme kommen von Timothy Grossmann, der in seinem Kino Balazs schon länger Filme mit Konzerten verbindet. Er ist einer der Veranstalter für die „Bespielung“ der Museumsinsel, ebenso wie der Theaterverein „Vekks“ und die Event&Promotionagentur „Transatlantico“, spezialisiert auf Musik aus Brasilien. Der 37-jährige Georg Pfaab ist einer der zwei Geschäftsführer der kleinen Firma, die vor neun Jahren aus einer Begegnung heraus entstand. Er war 28, hatte gerade sein Studium in Südamerikastudien, Soziologie und Spanisch an der FU hinter sich und befand sich auf einer nicht näher beschriebenen „Exkursion“ nach Brasilien.
Hier lernte er Frank Abraham kennen, der in Berlin ein deutsch-brasilianisches Kulturprojekt leitete und ihn überredete, gemeinsam zwei Konzerte der brasilianischen Band „Oludum“ zu veranstalten. Durch die Zusammenarbeit mit Paul Simon und später Michael Jackson war die Band bereits auch außerhalb Brasiliens bekannt. Dennoch waren die Musiker über den Erfolg der damals im SO 36 und in der Kulturbrauerei stattfindenden Konzerte überrascht.
So schlugen sie Pfaab und Abraham vor, eine Europatournee zu organisieren. Die nächsten Jahre hieß es dann, sich über Wasser zu halten und Kontakte zu knüpfen. Dann kam vor zwei Jahren die Anfrage vom Vorstand der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, im Sommer 2000 Konzerte für die Museumsinsel zu organisieren bzw. als Ko-Veranstalter mit einzusteigen. Pfaab, der bisher vor allem nach persönlichen Vorlieben Bands andachte, begann Ideenskizzen zu machen und sich auf die Suche nach Sponsoren zu begeben. Jetzt stehen fünf Termine, die unter dem Begriff „Museumsinsel Music Highlights“ promoted werden. Mit prominenten Namen hofft man, das Risiko zu begrenzen. Denn Sponsoren ließen sich bisher ebenso wenig finden wie Fernseh- oder Radiostationen, denen man Übertragungsrechte verkaufen könnte.
Doch Pfaab ist überzeugt, dass es schon im nächsten Jahr anders sein wird. Noch aber trägt er mit seinem Partner das Risiko alleine: 150.000 Mark Eigenanteil – der Rest muss sich aus den Kartenverkäufen ergeben.
Die Museumsinsel musste als Konzertort erst vorbereitet werden: Bühne, Licht, Backstage-Bereich, Toiletten etc. „Das Puzzle zusammensetzen“, nennt Pfaab das. Dazu kommt die Verpflegung als Teil des Gesamtkonzepts: So werden zu kubanischer Musik und kubanischem Film Mochitos und Gambaspießchen gereicht. Ob es bei den Balkankonzerten Unterschiede gibt, bleibt abzuwarten. Und auch ob sich im Ernstfall 5.000 Menschen vor den Bars in Schlangen einreihen müssen. Die Liegestühle bleiben bis zum Film erst mal außen vor. Es soll getanzt werden, das sei auch wichtig für „die Interaktion zwischen Künstler und Publikum“. Und bei Regen sind eigene Schirme mitzubringen – in der Waldbühne sei das schließlich auch nicht anders. Aber 3.000 Regencapes sind bereits geordert und bei Bedarf zum Selbstkostenpreis von drei Mark zu erwerben.
MAXI SICKERT
„Museumsinsel Music Highlights“ vom 5. bis 19. 7., Konzert + Film, Beginn 19 Uhr, Karten um 50 DM. Heute: „Vieja Trova Santiaguera“ (voraussichtlich das letzte Mal auf Tour). Danach Film: „Der Cuba Coup“, Kolonnadenhof vor der Alten Nationalgalerie, Bodestr. 1–3, S-Bahnhof Hackescher Markt
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