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Die Verfügbarkeitsfalle

Beim Kongress „:women@work“ geht es um Chancen von Frauen in den Neuen Medien. Aber auch um Arbeitskultur  ■ Von Sandra Wilsdorf

Sind die Neuen Medien weiblich? Bieten sie spezielle Chancen für Frauen, ermöglichen sie die perfekte Kombination von Kindern und Karriere? „:womenwork“ versucht unter anderem auf diese Fragen Antworten zu geben. Der vom Senatsamt für die Gleichstellung veranstaltete Kongress, eine Initiative der „digitelle“, der von Frauen ausgerichteten IT-Kongressmesse, beschäftigt sich am kommenden Freitag in Foren, Firmenkontaktbörse und Werkstattgesprächen mit den Karrierechancen von Frauen in IT- und Multimediaberufen.

Eine der Referentinnen ist Susanne Möcks-Carone. Sie ist in den Neuen Medien, seit es sie gibt, und hat schon auf diversen Chefsesseln gesessen; zur Zeit leitet sie die Media City Academy in der Speicherstadt. Bei „:women@work“ moderiert sie das Forum „Berufswege – heute, morgen, übermorgen“. Neue Medien und Frauen, das ist für sie wie „Autos und Frauen“ oder „Handys und Frauen“: Erst wenn Männer den technischen Trend so verinnerlicht haben, dass das Zweitgerät ansteht, interessieren sich auch Frauen dafür. „Deshalb sind sie in der Entwicklung nicht von Anfang an dabei und dadurch selten in Führungspositionen.“ Möcks-Carone will Frauen ermutigen, sie will Austausch fördern und noch mehr: „Neulich habe ich gehört, wie eine Frau sagte: Netzwerken ist eine Sache, aber was wir brauchen sind Seilschaften. Und sie hat Recht.“ Nur so kämen Frauen an die nötigen Vorbilder.

Dass die Neuen Medien für Frauen besonders geeignet weil so flexibel sind, hält sie für wahr und falsch zugleich: „Etwa bis 1998 war der Bereich gut für Quereinsteiger und man konnte barfuß über den Flur gehen, egal in welcher Position.“ Jetzt aber sei die Zeit der Tüftlerbuden vorbei, durch heftiges Fusionieren seien größere Unternehmen entstanden, „und ab 100 Mitarbeitern sind wieder normale Kategorien, inklusive der üblichen Hierarchien und Machtspiele“.

Zwar blieben viele Arbeiten zeit- und ortsunabhängig, „das nutzen Frauen, aber auch einige Männer“, aber das beschränkt sich auf einige Jobs. „Klar kann ich nachts und von zu Hause aus programmieren“, aber Marketing oder Vertrieb würde, wie überall sonst, Anwesenheit erfordern.

Eine Ursache dafür, dass Frauen sich weniger für Computer interessieren als Männer, sieht Möcks-Carone schon in den Schulen: „Wenn sich Kinder an den Computer setzen, kann man beobachten, dass die Jungs sofort anfangen, einfach auszuprobieren.“ Mädchen würden zunächst überlegen, wie sie vorgehen. Das würden LehrerInnen häufig als Zögern interpretieren.

Cornelia Brandt von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di diskutiert bei „:women@work“ zum Thema „New Economy zwischen Aufbruch und Umbruch – Unternehmenskultur im Wandel: Chance für die berufliche Entwicklung von Frauen?“ Ihre Antwort: „Frauen sind in den Neuen Medien eher wenig vertreten.“ In Berufen wie Mediengestaltung seien es zwar um die 50 Prozent, aber bei den neuen Ausbildungsberufen wie Fachinformatikkauffrau oder Informations- und Telekommunikationssystemelektronikerin gerade mal 14 Prozent. Und nur 12 Prozent der InformatikstudentInnen seien weiblich. Auch daran könnten Jungs schuld sein: „Man hat herausgefunden, dass viele Ingenieurinnen von Mädchenschulen kommen.“

Die Flexibilität der Neuen Medien sei zwar tendenziell eher ein Vorteil für Frauen, „denn nur zwei Prozent aller Erziehungsurlauber sind Männer“, aber kann auch zum Problem werden. Denn die Trennung zwischen Privatleben und Beruf muss man sich schaffen. „Es kann helfen, sich den Bürodress anzuziehen, wenn man zu Hause arbeitet“, sagt Cornelia Brandt. Es sei übrigens ein Trugschluss zu glauben, Heimarbeit wäre weniger Arbeit. Im Gegenteil: „Eine Studie zur Telearbeit hat nachgewiesen, dass dabei die Arbeitszeiten viel strenger notiert werden.“ Zeit für Besprechungen und Telefonate beispielsweise würden häufig nicht gezählt. Für die Gewerkschafterin ist manches in den Neuen Medien besorgniserregend: Man müsse beispielsweise bewusst darauf achten, die Souveränität über die eigene Zeit zu behalten und sie nicht an Handy und Conputer zu verlieren, weil man immer erreichbar ist.

Und noch etwas beunruhigt die Gewerkschaften: „Es ist bewiesen: Je größer die Freiheiten sind, desto mehr wird gearbeitet.“

„:women@work“ findet am 13. Juli von 9.30 bis 20 Uhr im Flügelbau West der Uni Hamburg statt (Programm unter www.digitelle.de ). Die Teilnehmerinnenzahl ist begrenzt, Anmeldung und Infos beim Senatsamt unter Tel.: 428 41-33 29 oder -33 36.

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