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Alkoholiday im Arabischen Meer

Orte für ein blaues Wunder (1): Die Insel Diu ist ein absurder Ort in einem absurden Land. Aber charmant

Wir riechen diese Insel, bevor wir sie sehen. Unser Bus ist ein rostiges U-Boot, dem die Schauer des Monsun durch alle Ritzen drängen. Zum Schweiß der Reisenden mischt sich nun der Geruch von verwesendem Fisch, zum Trocknen in den Regen gehängt: So riecht nur Diu, das seine Beliebtheit der drolligen Drogenpolitk Indiens verdankt.

Während es etwa Haschisch im Saddhu-Bedarf an jeder Straßenecke gibt, ist Alkohol des Teufels. Selbst in einer Weltstadt wie Delhi wird nur dünnes Bier, nur unter der Hand und nur in dezenten Teekannen serviert. So gesehen – und kein Inder sieht das anders – ist Diu das alkoholische Amsterdam Indiens. Hier wird alles ausgeschenkt, was knallt.

Das Eiland im arabischen Meer – 13 Kilometer lang, drei Kilometer breit, 29 Meter hoch – war für fast ein halbes Jahrtausend militärischer Vorposten der portugiesischen Kolonialherren. 1541 errichteten sie ein Fort, brannten Schnaps und missionierten Einheimische. Erst 1961 wurde es den Indern zu bunt. In der „Operation Vijay“ bombten sie die beharrlichen Portugiesen von der Insel – den Schnaps mussten die vertriebenen Besatzer zurücklassen.

40.000 Menschen leben heute auf Diu, mehr als die Hälfte davon in Diu, der Hauptstadt. Wem Lissabon nicht zerfallen genug ist, der kommt hier auf seine Kosten – und die sind gering. Ein Liter labberiges „Kingfisher“, die subkontinentale Biermarke Nummer eins, geht für umgerechnet 80 Pfennig über die Theke. Dahinter sitzt, schon zum Frühstück besoffen, der Herbergsvater auf seinem Schemel und grinst, weil sich endlich zwei Touristen in sein verwittertes Gasthaus verirrt haben. Ein langweiliger Deutscher – und Gautam Kollu, Vertreter für Procter & Gamble in China. In seiner Freizeit erkundet der junge Lebemann auf einem Einzylinder, den er schätzt („funktioniert, obwohl alles kaputt ist – wie Indien!“), eine Heimat, die er liebt („in Guangzhou gibt’s keinen einzigen Vogel“).

In Diu gibt’s dafür vogelgroße Flughunde, die in den verrosteten Geschützen auf der Festung nisten. Die wird als Gefängnis genutzt, und auf einer Kanonenkugel vor seinem Verlies hockt der einzige Gefangene zwischen den Pfützen in der Sonne – in Gewahrsam, weil er das Mädchen nicht heiraten mochte, das seine Eltern für ihn ausgehandelt haben. Er erträgt’s mit Gleichmut und bei einem warmen Fläschchen „Kingfisher“, das er sich mit seinen Bewachern teilt. Die Insel ist klein, man kennt sich.

Aus der Schule etwa, die im Klostergebäude der St. Pauls Kathedrale untergebracht ist. Die kolonialbarocke Fassade ist perlweiß gestrichen, für die Rückseite reichte das Geld nicht aus – sie ist rabenschwarz. Und auch die rissigen Ölgemälde im Inneren werden nur noch von ihrer Patina auf der Leinwand gehalten. Dort spricht uns Pater da Costa an, die zuständige Geistlichkeit. Ob wir denn heute Abend seine Gäste sein wollten. Auf dem Dach der Kirche. Bei Haifischsuppe, frisch gefischt?

Und so tropft bald Rotwein aus Kaschmir auf die weiß gedeckte Tafel unter sternenklarem Himmel, Pakistan wird der Krieg und Hitler zu einem „großen Mann“ erklärt. Gautam Kollu würde seine Atombomben lieber auf China werfen, aber das macht nichts, man ist tolerant in Indien.

Apropos: Auf der Rückfahrt wird der Bus plötzlich von Militärs aufgehalten. Landesgrenze, Zollkontrolle. Mit ihren Kalaschnikows rühren die Soldaten in Taschen und Rucksäcken. Die Bierflasche wird mit tadelndem Blick konfisziert. Zum schwarzen Afghanen aber wird uns mit Kennermiene gratuliert. Die Insel Diu: zu schön, um auch noch gut zu riechen. ARNO FRANK

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