WAHLEN IN ALBANIEN: DEMOKRATIE UND SOZIALISTEN HABEN GEWONNEN
: Erstaunliche Stabilität

Noch vor Bekanntgabe der amtlichen Endergebnisse steht ein Sieger in Albanien fest: die Demokratie. Dies ist keinesfalls selbstverständlich. Nach dem Zusammenbruch von Finanzpyramiden und schweren Auseinandersetzungen mit zahlreichen Toten und Verletzten stand das Land vor vier Jahren am Rande eines Bürgerkrieges. Die Wahlen konnten überhaupt nur dank der Anwesenheit einer multinationalen Friedenstruppe durchgeführt werden. Auch die anschließenden Gewaltaufrufe des Wahlverlierers und ehemaligen Staatspräsidenten Sali Berisha drängten die Frage auf, inwieweit die politisch Verantwortlichen in Albanien sich überhaupt zur Demokratie bekannten. Diese Frage stellt sich heute nicht mehr. Und das trotz kleiner Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen, einiger Handgemenge und der bekannten Tiraden Berishas, wegen Manipulationen die Wahlergebnisse nicht anerzukennen.

Der zweite Sieger sind die Sozialisten, die damit an ihren Erfolg von 1997 anknüpfen können. Vor vier Jahren allerdings erschien die Partei vielen nur als das kleinere Übel in einem gigantischen Chaos, die höchstens eine vage Hoffnung auf verbesserte Verhältnisse verkörperte. Heute hingegen bedeutet ihr Erfolg etwas anderes: Die Mehrheit der Wähler scheint die Bemühungen der Regierung unter Ilir Meta honoriert zu haben, das Land zu stabilisieren – und dies obwohl die meisten Albaner immer noch am Existenzminimum leben und sich die Wirtschaft nur langsam belebt.

Dennoch wären die Sozialisten, die im nächsten Jahr voraussichtlich auch den Präsidenten stellen, schlecht beraten, sich auf ihrem Sieg auszuruhen. Die Korruption ist weit verbreitet; und tausende von Waffen zirkulieren nach den Plünderungen vor vier Jahren immer noch in der Bevölkerung.

Der Westen bleibt weiter gefordert, Albanien zu unterstützen – wenngleich die derzeitige Lage auf dem Balkan vielleicht andere Prioritäten vorgibt. Im albanischen Wahlkampf spielten der Kosovo und Makedonien keine Rolle. Doch das muss für die nahe Zukunft in Tirana gar nichts heißen.

BARBARA OERTEL