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Ein Fliegengitter tut's auch

■ Eine Firma bietet Wärmedämmung plus Schutz vor Elektrosmog / Lohnt die Investition?

Wenn der Begriff „Elektrosmog“ fällt, macht sich erst einmal ein diffuses Gefühl der Bedrohung breit. Niemand weiß genau, was diese unsichtbaren, geheimnisvollen Wellen und elektromagnetischen Felder überhaupt bewirken. Es gibt inzwischen allerdings zahlreiche Studien und Gutachten, die von Stressymptomen bis zum Gehirntumor alle denkbaren Folgen belegen ins Feld führen. „Vorsicht ist angebracht,“ erklärt dazu Hans-Peter Neitzke vom ecolog-Institut in Hannover, „aber dass Leute vor Angst in den Keller ziehen, ist überzogen.“

Für alle, die sich gegen die mögliche unsichtbare Bedrohung schützen wollen, hat die Firma „ispo“ ein System zur Wärmedämmung mit Schutz vor Elektrosmog auf den Markt gebracht. Nach eigenen Angaben hält das „ispotherm WDV-System G-ES“ über 99,9 Prozent der Hochfrequenz-Strahlungen ab, die zum Beispiel durch Mobilfunk-Sender ausgestrahlt werden. Das Produkt lässt sich laut Firmenwerbung „ohne Einschränkung bei allen ispotherm WDV-Systemen und allen ispo Frontech-Fassadensystemen einsetzen“, mit der Besonderheit, dass es über eine Aluminium-Sockelschiene zusätzlich geerdet wird.

Die Funktionsweise ist denkbar einfach: Eingewobene Edelstahlfäden und eine extrem ableitfähige Spezialbeschichtung des Gewebes sollen dafür sorgen, dass bestimmte hochfrequente Wellen absorbiert oder reflektiert werden und so nicht in das Innere des betreffenden Gebäudes gelangen.

Entscheidend ist dabei der Gewebeabstand der Gitterstruktur. Fünf Jahre brauchten die ispo-Tüftler nach Angaben des Unternehmens, um das aus ihrer Sicht ideale Material und den „perfekten“ Abstand auszuknobeln. Viel Aufwand für einen Effekt, der offenbar auch viel einfacher zu haben ist. Einem Test der Zeitschrift „Öko-Test“ zufolge hat nämlich ein simples Fliegengitter aus Metall dieselbe Wirkung. Überhaupt scheint so ziemlich alles, was man sich nur vorstellen kann, die Mobilfunk-Strahlen abzuwehren: Ob man seine Wände nun aus 30 Zentimeter dickem Leichtbeton baut, sich eine Kupfertapete an die Wand klebt oder ob man das von der Wärmeschutzverordnung geforderte Wärmeschutzglas ins Fenster einbaut, der Effekt ist laut Öko-Test derselbe: über 99 Prozent der Strahlung bleiben draußen. Es gibt sogar Gardinen mit eingearbeiteten Metallfasern, die dasselbe bewirken und dabei sogar noch Licht ins Haus lassen.

Eines sollte sich der strahlungsfürchtige Mensch aber hinter die Ohren schreiben: So dick die Wände, Türen und Fenster auch mit Strahlungsabschirmern behangen sind, gegen elektromagnetische Felder hilft das gar nichts. Wer also sein Haus unter einer Hochspannungsleitung gebaut hat, habe Pech gehabt, erklärt Neitzke. Er kennt einen Fall, wo sich ein Betroffener jede Menge Spulen um sein Haus baute, die wiederum selbst elektromagnetische Felder erzeugten und dadurch die Felder der Hochspannungsleitung neutralisieren sollten. Aber erstens sei das aufwändig und zweitens könne man auch nicht wirklich sagen, wie effektiv eine solche Maßnahme sei.

Auch bei Strahlung im niedrigen Frequenzbereich sei nur schwer Abhilfe zu schaffen. Zur Zeit sei aber die Panik vor den Mobilfunk-Masten so groß, dass die anderen Elektrosmog-Probleme in den Hintergrund gerieten. Zum Beispiel strahlende Monitore oder Toaster. Nicht zuletzt auch das eigene Handy, das halb Deutschland inzwischen mit sich herumträgt. Wenn die Strahlung im Haus ist, hilft die beste Abschirmtechnik nichts und deshalb gibt es inzwischen auch von der „Internationalen Gesellschaft für Elektrosmog-Forschung“ das IGEF-Gütesiegel für Strahlungsarme Geräte.

Die IGEF empfiehlt überdies Häuser, die besonders Elektrosmog-arm sein sollen. Grundsätzlich sollte sich der Häuslebauer von einem Fachmann beraten lassen sollte, bevor er viel Geld in Abschirmmaßnahmen investiert. viv

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