Ganz vorsichtiges Zündeln

Wolfgang Wieland (Grüne) entsetzt SPD und CDU mit Gedanken an Cannabis-Liberalisierung. Dabei nutzt er nicht mal seinen Spielraum als Justizsenator. Dafür erntet er nun Kritik aus grünem Umfeld

von PLUTONIA PLARRE

Eigentlich hatte der grüne Justizsenator Wolfgang Wieland in einer TV-Sendung nur in abgeschwächter Form wiederholt, was die Grünen schon lange fordern: Die Bundesregierung müsse darüber nachdenken, ob der Handel mit kleinen Mengen weicher Drogen legalisiert und in Coffeeshops verlagert werden könne wie in den Niederlanden. Kaum gesagt, war der Eklat da.

„Die CDU wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass Berlin Amsterdam den unrühmlichen Rang der Drogenhauptstadt abläuft“, wetterte der CDU-Abgeordnete Roland Gewalt. Senatssprecher Helmut Lölhöffel und Jugendsenator Klaus Böger (SPD) beeilten sich zu versichern, dass in der Drogenpolitik alles beim Alten bleibe. Ein „Amsterdamer Modell“ werde im Senat nicht diskutiert. Im Tagesspiegel wurden nicht näher genannte SPD-Kreise mit der Bemerkung zitiert, Wieland habe offenbar dass Bedürfnis, sich in seiner Senatorenzeit zu profilieren.

Dass hat er gewiss, aber leider nicht in puncto Drogen. „Der Übergangssenat wird in dieser Hinsicht keine Initiativen entfalten“, stellte Wieland gestern auf Nachfrage der taz klar. Im Klartext: Gedacht ist also weder an ein Berliner Bundesratsinitiative zur Veränderung des Betäubungsmittelgesetzes noch an eine Novellierung der Landesrichtlinien. Letztere zu verändern stünde durchaus in der Macht eines Justizsenators. Er brauchte dafür noch nicht einmal die Zustimmung des Abgeordnetenhauses.

In den Richtlinien zu Paragraf 31 a Betäubungsmittelgesetz ist geregelt, wie viel Gramm Cannabis straffrei zum Eigenverbrauch besessen werden dürfen. Nach der derzeitigen Richtlinie sind das 6 Gramm. Bei über 15 Gramm wird Anklage erhoben, bei mehr als 100 Gramm erfolgt die Vorführung vor den Haftrichter. Im Bundesvergleich belegt Berlin einen Platz im Mittelfeld. In Bayern und Baden-Württemberg genügt ein einziges Gramm zur Anklageerhebung. In Schleswig-Holstein hingegen, bleiben Konsumenten sogar mit 30 Gramm noch unbehelligt.

„Ich werde an den Richtlinien nichts verändern“, betonte Wieland. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft sehe er dafür keinen Bedarf. „Der einzelne Kiffer weiß, welche Mengen er zu beachten hat.“ Außerdem könne er die Richtlinien nur mit Zustimmung des Koaltionspartners verändern. Der SPD sei aber daran gelegen, das Thema Drogen aus dem Wahlkampf herauszuhalten, um der CDU keine Munition zu liefern. Nach einem Wahlsieg würden die Grünen in einer Koalitionsvereinbarung mit der SPD „Akzente“ in der Drogenpoltitik setzen, versprach Wieland – etwa durch eine Beteiligung Berlins an der Bundesratsinitiative von Schleswig-Holstein für einen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis in Apotheken an Erwachsene. „Auch über die Richtlinen wird man noch einmal reden müssen.“

Der Vorsitzende Richter am Lübecker Landgericht, Wolfgang Nescovic, der 1994 beim Bundesverfassungsgericht einen Beschluss zum Haschischverbot durchgesetzt hat, in dem die Länder zum Erlass von einheitlichen Richtlinien aufgefordert werden, kann die Zurückhaltung der Berliner Grünen nicht verstehen. Auch auf Bundesebene habe es die grüne Drogenbeauftragte Christa Nickels nicht gewagt, bei den weichen Drogen Akzente zu setzen. „Dabei gibt es für eine andere Drogenpolitik die besseren Argumente, die sich zudem auch noch in Wählerstimmen auszahlen würden“, ist Nescovic sicher. Die offensive Diskussion um das Für und Wider in Schleswig-Holstein habe gezeigt, dass sich sogar Konsverative und eine Harte Linie vertretende Teile der Presse überzeugen ließen.

Auch der Geschäftsführer des Berliner Hanfhauses, Mathias Bröckers, fände es glaubwürdiger, wenn die Grünen in der Übergangsregierung versuchen würden, durch eine Veränderung der Richtlinien in der Drogenpolitik einen Pflock einzuschlagen. „Stattdessen versprechen sie uns blühende Hanflandschaften, und nach der Wahl passiert wieder nichts.“

Viel ist es ohnehin nicht, was in dem am Wochenende von den Grünen verabschiedeten Wahlprogramm zum Thema Drogen steht. Doch die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Elfi Jansen, beschwichtigt: „Abgestimmt worden ist nur das Kurzprogramm.“ Die Langfassung sei ausführlicher.