: Liebe schlägt auf das Gehör
Studie des Unabhängigen Institus für Umweltfragen belegt: Der Besuch der Love Parade kann dauerhafte Hörschäden verursachen. Die Belastung entspricht etwa dem sechsstündigen Hören einer Kreissäge. Institut empfiehlt Ohrstöpsel
von NICK REIMER
„Larson Davis“ hieß das Messgerät, das Untersuchungsobjekt „Love Parade“. Pünktlich zur diesjährigen Auflage des Technospektakels schloss das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU) seine Untersuchungen zur Lärmbelastung ab. Was viele ahnen, ist nun wissenschaftlich belegt: Die gemessenen Pegelspitzen von 134 dB(A) können zu dauerhaften Hörschäden führen.
Eine UfU-Mitarbeiterin hatte sich im vergangenen Jahr den Larson Davis mit integriertem Schallpegelmesser an der Bluse angebracht und bewegte sich wie eine normale Besucherin in der Menge der Technofreaks. Einschließlich An- und Abreise zeichnete die Wissenschaftlerin sechs Stunden lang Daten auf. Gemessen wurde nach einem auch im Arbeitsschutz üblichen Verfahren, das die menschlichen Höreigenschaften berücksichtigt.
„Im Durchschnitt betrug der energieäquivalente Mittelungspegel über den gesamten Zeitraum 98 dB(A)“, heißt es in dem Gutachten, das der taz vorliegt. Eingerechnet darin ist auch eine 45-minütige Pause – die Mitarbeiterin „musste“ sich im Tiergarten hinlegen und erholen. Der Durchschnittswert ergibt eine Lärmbelastung, die fast so groß ist wie neben einer Kreisäge – und das sechs Stunden lang.
Wie zu vermuten, wurde der Maximalpegel im Abstand etwa 75 Zentimeter von den Boxen vorüberfahrender Trucks vor dem Brandenburger Tor gemessen. Auf der Straße des 17. Juni betrug der Pegel – bei einem Abstand der vorüberfahrenden Trucks von 5 bis 6 Metern – immerhin noch 110–126 dB(A), ein Wert der zwischen lauter Diskothek, Presslufthammer und abhebendem Düsenjet liegt. Im Tiergarten wurden – so das Gutachten – bei einem Abstand von 20 bis 30 Metern noch zwischen 80 und 107 dB(A) registriert. Und selbst 300 Meter vom „Liebeszug“ entfernt war der Lärm noch 89 dB(A) stark. Das ist vergleichbar mit einem vorbeifahrenden Lkw.
„Pegelspitzen ab 140 dB(A) können auch bei kurzzeitiger und einmaliger Einwirkung bleibende Hörschäden hervorrufen“, warnen die Autoren der Studie. Zu kritisieren sei, dass die Besucher des Brandenburger Tores von dem Lärm nicht abgeschirmt waren. Zu bemängeln sei außerdem, dass die Sicherheitskräfte um die Trucks oftmals keinen Gehörschutz trugen und somit einer mehrstündigen Schallbelastung bis zu 130 dB(A) ausgesetzt waren.
Insgesamt – so das Institut – benutzten schätzungsweise nur ein Prozent der Besucher Ohrenstöpsel. Manche hätten verzweifelt versucht, sich durch zusammengeknüllte Papiertaschentücher zu schützen. Traurig war, dass viele Eltern ihre Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter nicht mit Ohrenschutz versahen. Die Empfehlung des Unabhängigen Institutes für Umweltfragen: „Aufklärung ist nötig.“
mehr Infos: www.ufu.de
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