piwik no script img

Global denken – lokal stoppen

Schleierfahndung in Bayern, Meldepflicht in Berlin, Haftandrohungen in Nordrhein-Westfalen: Während Genua vor dem Gipfel der führenden Industrienationen – G8 – zur Festung wird, hält die Polizei in Deutschland reisewillige Globalisierungskritiker auf

BERLIN taz/dpa/afp ■ Der Gipfel der führenden Industrienationen ab Freitag in Genua hält nicht nur in Italien die Sicherheitsbehörden in Atem. Der Bundesgrenzschutz, erklärte Innenminister Otto Schily gestern, hat seine Kontrollen an den Grenzen, in Zügen und Flughäfen verstärkt, um Protestierer auf dem Weg zum G-8-Gipfel aufzuhalten. Die bayerische Polizei hat die Schleierfahndung an Straßen des internationalen Durchgangsverkehrs ausgeweitet.

Um die Suche nach reisewilligen Globalisierungskritikern zu erleichtern, soll eine neue Polizeidatei eingesetzt werden. Laut bayerischem Innenministerium sind bereits bundesweit knapp 2.000 Namen von wegen Landfriedensbruchs vorbestraften Tätern erfasst. Die seit 1992 bestehende „Datei Landfriedensbruch“ bilde den Grundstock.

Das Bundeskriminalamt konnte gestern gegenüber der taz den Aufbau einer solchen neuen Datei nicht bestätigen. Tatsächlich hat die Innenministerkonferenz im November 2000 die Errichtung einer bundesweiten Datei „Linksorientierte politisch motivierte Gewalttäter“ beschlossen. Die „Errichtungsanordnung“ dafür wurde aber erst kürzlich gebilligt.

In Berlin wies das Verwaltungsgericht am späten Montagnachmittag zwei Klagen gegen so genannte „Reiseverbote“ zurück. Die Polizei ist demnach berechtigt, vom 15. bis 22. Juli durch Meldeauflagen mögliche Störer von einer Reise abzuhalten.Nach Informationen der grünen Bundestagsfraktion sind auch in Nordrhein-Westfalen „Dutzende“ Personen gezielt von der Polizei vor gewalttätigen Protesten in Genua gewarnt und teils mit Vorbeugehaft bedroht worden.

Am italienisch-schweizerischen Grenzübergang Chiasso kam es gestern bereits zu Zusammenstößen zwischen Schweizer Polizisten und mehrheitlich deutschen Globalisierungskritikern, die an der Weiterfahrt gehindert wurden. In Rapallo nahm die italienische Polizei sieben Deutsche fest und beschlagnahmte bei ihnen Stöcke, Klingen und Gasmasken. Sie wurden mit einem Ausweisungsbescheid zum Brenner-Übergang gebracht. WOLFGANG GAST

nachrichten SEITE 2, interview SEITE 3,reportage SEITE 4

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen