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Schatzmeistern droht Gefängnis

Geldgeschäfte der Parteien müssen transparenter werden: Unabhängige Kommission stellt ihren Bericht vor. Bei Betrug soll es Haftstrafen geben. SPD-Firmen kommen ungeschoren davon. Rot-Grün verspricht neues Parteiengesetz noch vor der Wahl

von PATRIK SCHWARZ

Der Bundespräsident fürchtet die Verzögerung. „Bis spätestens zur Bundestagswahl 2002“ müsse das neue Parteiengesetz her, mahnte Johannes Rau gestern Früh. Da hatte ihm gerade die von Rechnungshofpräsidentin Hedda von Wedel geleitete Kommission für eine Reform der Parteienfinanzierung ihren 80-Punkte-Forderungskatalog überreicht. Gut drei Stunden später traten Vertreter der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen vor die Presse und beteuerten: Die Reform soll noch in dieser Legislaturperiode kommen.

Unterschiede gab es allenfalls in den Nuancen. Während der Grünen-Obmann im Spendenuntersuchungsausschuss, Hans-Christian Ströbele, mit dem Kommissionsbericht rundheraus zufrieden war, ließ sich der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, ein Hintertürchen offen. „Ich meine, dass alle Vorschläge durchsetzbar sind“, sagte er, aber „vielleicht nicht in allen Details“. Nach der Sommerpause seien Gespräche mit der Opposition geplant, doch wenn die Union sich querstelle, werde die Reform auch gegen sie beschlossen.

In einem wesentlichen Punkt ist die Kommission den Sozialdemokraten entgegengekommen. Sie empfiehlt, Parteien keine Beschränkung ihrer unternehmerischen Tätigkeit aufzuerlegen. Verfassungsrechtliche Bedenken hätten dagegen gesprochen, erklärte von Wedel. Die SPD, die über umfangreiche Firmenbeteiligungen vor allem im Medienbereich verfügt, muss künftig lediglich eine klarere Rechnungslegung als bisher gewährleisten.

Eine grundlegende Reform des Parteiengesetzes hält die Kommission nicht für notwendig. „Mehr Transparenz wagen“ ist das inoffizielle Motto des 160 Seiten starken Berichts. Danach sollen die Parteien in Zukunft ihre Bücher strikt nach kaufmännischen Gesichtspunkten führen, das heißt Einnahmen und Ausgaben dürfen nicht schon vor der Veröffentlichung miteinander verrechnet werden. Zu den schärfsten Empfehlungen gehört ein spezieller Straftatbestand für vorsätzlich falsche Buchführung, vergleichbar der Bilanzfälschung. Von möglichen Haftstrafen bis zu drei Jahren sollen nicht nur der Schatzmeister oder Generalsekretär einer Partei betroffen sein, sondern der gesamte Parteivorstand. Auf die Aberkennung des Rechts, für Wahlämter zu kandidieren, verzichtete die Kommission aus verfassungsrechtlichen Bedenken.

So öffentlichkeitswirksam der Strafkatalog ist, die weiter reichenden Auswirkungen im politischen Alltag dürfte der geforderte „Politikfinanzierungsbericht“ entfalten. Angesichts der oft undurchsichtigen Verflechtungen zwischen Parteien, Fraktionen, parteinahen Stiftungen und angegliederten Organisationen soll die Bundesregierung regelmäßig einen Überblick über die Finanzströme der Parteien geben. So viel Transparenz schafft Unbehagen. „Ich halte das für sehr weitgehend“, deutete Schmidt Widerstand an.

Tapfer bekannte sich der Sozialdemokrat dagegen zum völligen Verbot von Spenden öffentlicher Unternehmen, von dem besonders die Regierungsparteien in monopolistisch regierten Bundesländern wie NRW oder Bayern profitierten.

Keine Einigkeit erzielten die sechs Sachverständigen in der Frage einer Obergrenze für Spenden. Während der Politologe Ulrich von Alemann und Dieter Wunder, Exvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, für eine Grenze bei 250.000 Mark plädierten, sahen ihre vier Kollegen juristische wie praktische Probleme. Zu leicht sei die Hürde zu umgehen. Ströbele bestätigte diese Einschätzung aus seinen Ermittlungen im Untersuchungsausschuss. Auch wenn die Kommission sich ausdrücklich nicht mit der CDU-Spendenaffäre beschäftigen sollte, so will sie doch die Geldkoffer aus der Parteienlandschaft verbannen. Mit Bargeld sollen Schatzmeister nur noch bis zu einer „Bagatellgrenze“ von 2.000 Mark hantieren dürfen.

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