: PDS – links von der linken Mitte
Parteispitze stellt ihren Leitantrag für den nächsten Parteitag vor und arbeitet an einem unverwechselbaren Label für 2002. Klare Kampfsage an Kommunisten und Marxisten
BERLIN taz ■ Die Parteien von heute müssen in der Lage sein, ihre Ziele, ihre Programmatik, ja selbst ihr kompliziertes Seelenleben in nur zwei, drei Sätzen zusammenfassen zu können. Von dieser Fähigkeit kann bei kleinen Parteien im Extremfall ihre ganze Existenzberechtigung abhängen. Sobald die Grünen das Wort „Ökologie“ aus ihrem Vokabular streichen, können sie keinem Menschen mehr erklären, wozu ihre Partei noch gut sein soll.
Die PDS ist dabei, in dieser Hinsicht rhetorisch aufzurüsten. In vier einfachen Sätzen kann Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch die besondere Stellung seiner Partei mittlerweile beschreiben: Die PDS ist die einzige Partei, die es nicht in die Mitte, sondern nach links zieht. Die PDS ist die einzige Antikriegspartei. Sie ist die einzige Partei, die konsequent für soziale Gerechtigkeit eintritt. Und die einzige Partei, die den Osten als Zukunftschance begreift.
Es ist völlig unerheblich, ob jeder einzelne dieser Sätze stimmt. In der Welt von heute reicht es, wenn sie zusammen als Label funktionieren. Und die PDS-Spitze ist überzeugt, dass sie funktionieren. Deshalb wiederholt sie diese vier Sätze immer wieder, auf dass sie langsam ins öffentliche Unterbewusstsein einsickern. Das nennt man Produktplatzierung. Bei der Bundestagswahl 2002 soll die PDS besser abschneiden als FDP und Grüne.
Jüngster Anlass, das Label zu putzen, war gestern die Vorstellung des Leitantrages an den Dresdener Parteitag der PDS. Dieser soll im Oktober stattfinden. Weil sich im Leitantrag nicht ein einziger Gedanke findet, den die Partei nicht schon in einem ihrer anderen 96 Papiere aufgeschrieben hat, betonte Bartsch vor allem die besondere Stellung der PDS: Sie sei die einzige Partei, die nicht in die Mitte strebe, die links sei, die für den Frieden ...
Der Leitantrag selbst ist mehr eine Kampfansage der reformorientierten PDS-Führung an ihre parteiinternen Kritiker. Darin findet sich eine klare Absage an den DDR-Sozialismus ebenso wie das Bekenntnis zu Freiheit als einer Voraussetzung von libertärem Sozialismus. Das sind auch die beiden Eckpunkte des Entwurfs für ein überarbeitetes Parteiprogramm, den Parteichefin Gabi Zimmer im April vorgelegt hat. Indem der Parteitag in Dresden den jetzt vorliegenden Leitantrag verabschiedet, soll er gleichzeitig eine Vorentscheidung im Streit um die PDS-Programmatik treffen. Nicht die Marxisten und Kommunisten mit ihren Vorstellungen vom „bösen Kapitalismus“ sollen sich durchsetzen, sondern die Parteispitze mit ihrem pragmatischen Kurs. Wenn der Parteitag im Herbst diese Weichen stellt, ist noch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin klar, welches überarbeitete Grundsatzprogramm die PDS 2003 verabschieden wird. Schaden dürfte das nicht. JENS KÖNIG
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