: „Es ist eine Herausforderung, aber es geht“
■ Eltern protestieren gegen Personalnot in Burgwedeler Kindertagesstätte Bluma Mekla. Die Heimleitung bestätigt: Die Standards sind zu niedrig
„Als vergangene Woche eine Erzieherin in vor uns in Tränen ausbrach, haben wir gemerkt: Wir müssen was tun“, sagt Kai Breu-ning. Der Jurist und Vater zweier Kita-Kinder setzte sich mit anderen Elternvertretern der Burgwedeler Kita „Bluma Mekla“ zusammen und verfasste einen Brief an den Bürgermeister mit der Bitte „sofort unbürokratisch“ vier neue Betreuerstellen zu bewilligen. Und weil er gemerkt habe, dass dieses Problem alle Kitas betreffe, faxte er den Brief samt Unterschriftenliste auch noch an alle 800 Kitas der Stadt.
Drei Halbtagsgruppen hat die Kita im Neubaugebiet Burgwedel. Und weil nacheinander eine Erzieherin schwanger, eine krank wurde und eine kündigte, werden zwei dieser drei Gruppen derzeit nur von einer Kraft betreut. Breuning: „Das ist reine Aufbewahrung. Ich will, dass meine Kinder gefördert werden.“ Sein Sohn sei bisher gerne in den Kindergarten gegangen. Dies sei bei ihm, aber auch bei anderen Kindern jetzt nicht mehr der Fall. Wenn die Eltern zwischen 8 und 9 Uhr morgens ihre Kinder vorbeibringen komme es sogar vor, dass eine Erzieherin auf bis zu 40 Kinder in vier Räumen achten muss. „Dass die Erzieherin bei der Belas-tung in Tränen ausbricht, ist doch kein Wunder.“
Eine Erzieherin für 22 Kinder, das ist keine Ausnahme, sondern offiziell vorgesehener Standard, musste Heimleiterin Brigitte Klesse den aufgebrachten Eltern erklären. Denn für die Gruppe, die 25 Stunden in der Woche geöffnet ist, hat sie nur 29 Stunden Personal. Die bisherige Doppelbesetzung sei nur möglich gewesen, weil Erzieherinnen aus den drei besser besetzten Ganztagsgruppen der Kita, die insgesamt 155 Plätze hat, „umgebucht“ wurde. Ein System, so erkennt Breuning, „das funtioniert wenn alle da sind. Aber wehe, einer wird krank“. „Bluma Mekla“, die nach einem jüdischem Mädchen benannte Kita, hat seit einem Jahr mit einem Krankenstand von 25 Prozent zu kämpfen. Mittel aus einem Reserve-Topf des Amtes für Jugend bekommt die Kita dennoch nicht. „Wir sind dafür noch nicht krank genug“, erklärt Brigitte Klesse. Drei von vier Betreuerinnen, so habe man ihr in der Behörde erklärt, müssten krank sein, um dort Geld zu bekommen.
Der Burgwedeler Fall bringt Licht in eine Frage, die engagierte Fachleute seit Monaten vergeblich stellen. Reichen die Qualitätsstandards aus, um Kinder nicht nur aufzubewahren, sondern auch zu bilden und zu erziehen? Eine Frage die Anette Zapf, Heimleiterin der Stellinger Kita „Janusz Korczak“, klar verneint. „Bevor wir ganz viel Geld in den Platzausbau stecken, müssen erst mal vernünftige Plätze geschaffen werden“, fordert sie. Auch in ihrer Kita sind die 4-Stunden-Gruppen nur mit 29 Stunden versorgt, ist die Hauptbetreuerin an drei von fünf Tagen mit 22 Kindern alleine. Meistens sogar noch öfter. Zapf: „Die Zweitkraft brauchen wir als Vertretung in anderen Gruppen.“ Zum Beispiel in der Krippengruppe, die mit zwei Erzieherinnen auch viel zu schlecht besetzt sei. Da die Kinder alle noch gewickelt werden, müssten die Erzieherinnen immer nur „pflegen, pflegen, pflegen“. Und allein wegen des Urlaubsanspruchs wäre 12 Wochen im Jahr nur eine Kollegin da. Zapf: „Eltern, die es sich leisten können, sagen bei dem Standard, nein, dann lassen wir unser Kind zu Hause.“
Bessert sich all dies mit Einführung der Kita-Card? „Ich denke, es wird sich bessern“, sagt Beate Klipp von der Heimaufsicht im Amt für Jugend. Denn künftig gebe es für die seit Jahren übliche Mehrauslastung von 10 Prozent extra Geld. Eine Halbtagsgruppe bekäme demnach für das 21. und 22. Kind – die bisher in der Personalbemessung nicht berücksichtigt werden – noch mal 3 Stunden hinzu. Daran, auch für Halbtagsgruppen eine Doppelbesetzung zu garantieren, werde hingegen nicht gedacht. Klipp: „Man geht davon aus, dass Kinder, die nicht so lange da sind, weniger intensiv betreut werden müssen, weil dies ja auch zu Hause geschieht.“ So falle auch die Schlaf- und Essensphase weg. Außerdem, so Klipp, zeige die Erfahrung, dass man auch mit einem Menschen gute Kita-Arbeit leisten könne. „Es ist eine Herausforderung, aber es geht.“ Kaija Kutter
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