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Für Ernstfall nur schlecht gerüstet

Die massive Polizeigewalt beim G-8-Gipfel in Genua hat die deutschen Globalisierungskritiker überrascht. Ihren Protest bezeichnen die friedlichen Demonstranten dennoch als erfolgreich – dabei wissen sie selbst am besten, dass sie von den militanten Aktivisten instrumentalisiert wurden

aus Genua HEIKE HAARHOFF

Francesca irrt durch die Straßen von Genua. Sie hat den Anschluss verloren. Versprengte Grüppchen hier und dort, aber kein geordneter Demonstrationszug. Geschweige denn das Berliner Bündnis gegen den G-8-Gipfel, mit dem Francesca 27 Stunden im Bus nach Genua gereist war, um für Mitbestimmung, Schuldenerlass, menschliche Arbeits- und Lebensbedingungen weltweit auf die Straße zu gehen.

Als am Samstag das erste Tränengas die Luft verätzte, Steine flogen, die Polizei sich Schlachten mit dem militanten Schwarzen Block lieferte und den friedlichen Teil des Protestzuges spaltete, stoben auch die Berliner Kleingruppen auseinander. Dabei war fest abgemacht gewesen, immer beisammenzubleiben. Ein Vorbereitungstreffen, genannt „Aktionstraining“, hatte es dazu noch in Berlin gegeben, Bezugsgruppen waren gebildet und ein SprecherInnenrat basisdemokratisch gewählt worden. Doch jetzt steht Francesca da und hat nicht einmal eine Handynummer, um zu erfahren, wann und wo der Demobus zurück nach Berlin fährt. „So“, sagt sie, „war das nicht geplant.“

Die Bilanz nach drei Tagen in Genua ist ernüchternd: „Die Polizeigewalt war unermesslich. Ich habe eine solche Offensivstrategie noch nicht erlebt“, sagt Sascha, der schon gegen verschiedene Gipfel demonstriert hat. „Wir hätten noch mindestens einen halben Tag Vorbereitungszeit in Genua gebraucht.“ Dann hätte es möglicherweise eine politische Botschaft in Form einer Kundgebung gegeben. Dann wäre die Gruppe vielleicht geschlossener aufgetreten. Dann wüssten sie zwei Tage nach der Rückkehr nach Deutschland, ob die rund 25 Leute, die nicht wieder in den Bus einstiegen, verhaftet wurden oder bloß noch ein paar Tage Urlaub in Italien machen. „So aber“, sagt Sascha, „wussten wir zum Teil nicht mal, ob die Leute im deutschen Camp am Giradini Quinto, im Stadio Carlini oder anderswo geschlafen haben.“ Muss er gerade sagen: Als der Bus am Donnerstag bei strömendem Regen ankam, war Sascha einer der Ersten, der sich ins Hotel verdrückte.

Insgesamt aber sei Genua ein Erfolg gewesen. „Wir haben den Gipfel ins Straucheln gebracht“, glaubt er. Die Gewaltfrage soll nun bei Nachbereitungstreffen diskutiert werden: „Klar ist, dass der Schwarze Block versucht hat, die große Menge zu instrumentalisieren.“ Wie das künftig zu vermeiden ist, „darüber müssen wir nachdenken“.

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