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Sehnsucht nach der Straßenbahn

■ Nach 19 Jahren wollen viele Bremerhavener wieder eine Tram – und eine Regionalstadtbahn dazu

1982 fuhr die Letzte. Die letzte Straßenbahn in Bremerhaven. Danach wurden die Gleise-Relikte endgültig rausgerissen oder einfach dicht zementiert, die alten Trams wurden an die Bremer Straßenbahn AG verkauft und nach Rumänien verschenkt. Und seitdem wird gejammert – nach der Straßenbahn und nach einem anderen Verkehrskonzept. Denn: Seit die Tram weg ist, sind die Fahrgastzahlen der Verkehrsbetriebe Bremerhaven rapide gesunken – und die Straßen verstopft.

Jetzt soll vielleicht wieder eine Neue her. Eine neue Straßenbahnlinie für Bremerhaven, die einmal längs durch die Stadt kurven könnte und so neue Kundenpotenziale erschließen würde. Andere Städte wie Oberhausen und Saarbrücken haben die Wiedereinführung der Schiene erfolgreich vorgemacht. Und jetzt Bremerhaven?

„Das Ganze ist eine rein politische Entscheidung“, meint Rolf Frassa, Vorstandsvorsitzender der Verkehrsgesellschaft Bremerhaven (VGB). Denn eine wieder errichtete Straßenbahnlinie würde vor allem eins: teuer werden. Auf rund 500 Millionen Mark summieren sich Investitionen in Schienen, Bahnhöfe, Bahnen, Fahrer und so weiter, wird geschätzt. 500 Millionen – und das in einer Stadt, deren Kommunalhaushalt sehr defizitär ist.

Außerdem müsste eine Straßenbahn mindestens 50 Prozent mehr Fahrgäste befördern, damit sich die Investition rechnet. Und das in einer Stadt in der jedes Jahr einige tausend Einwohner (und damit potenzielle Fahrgäste) flöten gehen. Wo sich die Fahrgastzahlen nach Berechnungen des Verkehrsclub Deutschland seit Mitte der 70er Jahre bis 1996 fast halbiert haben. Erst in diesem Jahr sieht die VGB wieder eine „leicht steigende Tendenz“ in der Fahrgastbeförderung.

In der Politik allerdings hat sich seit 1982 einiges verändert. Die meisten sagen heute, dass es „ein schwerer Fehler war“ damals die Bahn einzustellen. Jetzt sitzen zum Teil diejenigen am Hebel der Politik, die 1982 noch gegen das Ende der Straßenbahn demonstriert hatten. SPD-Oberbürgermeister Jörg Schulz etwa. Oder Uwe Parpart. Der war damals bei den Jusos, jetzt streitet er als baupolitischer Sprecher der SPD für „das populäre Thema“ in Bremerhaven und das heißt Straßenbahn, oder Regionalstadtbahn, die auf alten DB-Schienen die City mit Loxstedt, Bremervörde, Bad Bederkesa verbindet.

Inzwischen liegt ein Gutachten zur Straßenbahn vor. Die SPD hat eine eigene Arbeitsgruppe zur Straßenbahn/Regionalstadtbahn ins Leben gerufen. Im Bauausschuss wird regelmäßig darüber diskutiert. Wie ernst den Bremerhavener Politikern ihre Straßenbahn wirklich ist, wird sich aber nach der Sommerpause zeigen: Auf dem nächs-ten Unterbezirksparteitag will die SPD ihren GenossInnen „möglicherweise was vorlegen“ über eine Straßenbahn/Regionalstadtbahn. Auch auf einer der nächsten Bauausschuss-Sitzungen werden die Baupolitiker entscheiden.

Die Grünen jedenfalls setzen fest auf Tram und Regionalstadtbahn. 50 Prozent mehr Fahrgäste durch moderne Straßenbahnen und feste Taktzeiten wiederzugewinnen, sei überhaupt kein Problem, meint Hans-Richard Wenzel von den Grünen: „Das ist noch eine sehr konservative Schätzung“. Andere Städte, die die Straßenbahn wieder eingeführt haben, zeigten, dass noch mehr Zuwachs drin ist. Das gelte auch für Bremerhaven.

„Die Deutsche Bahn hängt uns im Norden doch total ab“, ärgert sich Genosse Parpart und will, dass die Politik jetzt „für die Region einen Personen-Nahverkehr entwi-ckelt. 500 Millionen Mark seien immer „ein halbes Totschlags-Argument“. Bevor man jetzt in Bremen antanzt und Geld will, müsse man das noch mal durchrechnen. Aber jetzt schon dafür sorgen, dass entsprechende Trassen offen gehalten und nicht verbaut würden.

Auch Tasso Weber von der Bremerhavener CDU hielt den Erfolg einer Wiedereinführung wie in Oberhausen für „beeindruckend“. Dort sollen sogar weitere Strecken ausgebaut werden. Doch für Bremerhaven sei das „nicht realis-tisch“, weil zu teuer. Viele Fördertöpfe könnte Bremerhaven für das Projekt vermutlich nicht gewinnen. „Zurzeit rechnet sich das nicht .“

Andere sagen, dass man sich zum Beispiel mit der Bremer Straßenbahn die Werkstätten teilen könnte und so einen eigenen Betriebshof und viel Geld sparen würde. Denkanstöße wollte auch der Verkehrsclub geben: Mit Hochglanzbroschüre und vielen Beispielen wollen sie den Zweiflern das Projekt schmackhaft machen. Im August wird sich ihr Erfolg zeigen.

Dorothee Krumpipe

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