Russen blockieren Klimagipfel

Weil Russlands Delegation lange nicht durchblickte, wird der Bonner Gipfel sein Pensum nicht abarbeiten können

BERLIN taz ■ Gestern nachmittag war das Kioto-Protokoll noch immer nicht in trockenen Tüchern. Zwar hatten die Minister von mehr als 180 Ländern am Montag einen politischen Beschluss über die Details des Protokolls herbeigeführt. Doch diese Regeln sind nach UN-Recht noch immer nicht endgültig beschlossen: Dazu müssen sie erst in den sechs Weltsprachen vorliegen – und erneut verabschiedet werden. Als am Montag Tagungspräsident Jan Pronk die politische Einigung der nächtlichen Verhandlungen durch das Plenum der Bonner Konferenz hämmerte, lag nur eine englische Fassung vor.

Leider hatte die russische Delegation in dem Verhandlungs-Marathon kurz vor Schluss den Überblick verloren. Der russische Unterhändler, der kein Politiker, sondern Chefmeteorologe seines Landes ist, war am frühen Morgen aus der Verhandlungen im Salon Planck im Hotel Maritim „kurz zur Beratung“ herausgegangen – kehrte aber nicht wieder zurück. Auch im anschließenden Plenum hatte er nichts gesagt. Inzwischen aber fand der Unterhändler, wie die taz aus Verhandlungskreisen erfuhr, aber die Sprache wieder und hält den Fortgang der Konferenz auf. Eigentlich sollte die sechssprachige Fassung bereits am Dienstag verabschiedet werden – das galt als reine Formsache.

Doch leider war der Auftrag nicht eindeutig. Denn Pronk hatte angekündigt, mit der Übersetzung gleichzeitig technische Fehler der Ursprungsfassung beseitigen zu wollen. So kam es zum Streit über den Kompromisstext, den die Russen ihrerseits zum Nachbessern nutzen wollen: Um von technischen Hilfsprojekten nach dem Protokoll profitieren zu dürfen, muss man zunächst ein ausgeklügeltes nationales Treibhausgas-Inventursystem errichten. Die Russen hätten gerne schon Hilfsprojekte, bevor sie fertig sind; fürchten sie doch zu Recht, dass sie das so schnell nicht auf die Beine gestellt bekommen. Wie der Konflikt geregelt wird, stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest.

Eigentlich wollte sich der Gipfel in seinen letzten Tagen in Bonn bis zum Freitag mit der Formulierung des juristischen Textes befassen, der aus der politischen Erklärung der Minister vom Montag folgt. Das ist nun nicht mehr zu schaffen. Die technischen Fehler im Kompromiss und die daraus folgenden Verwicklungen werfen einmal mehr ein schlechtes Licht auf Pronk, der schon mehrfach durch seine Ungeschicklichkeit die Verhandlungen gefährdet hatte.

MATTHIAS URBACH