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EU schafft Schlupflöcher für Genfood

Am Mittwoch verschärfte die EU-Kommission die Richtlinien zur Kennzeichnung von genmanipulierten Lebens- und Futtermitteln. Am Donnerstag nahm sie einen Teil wieder zurück: Eier, Milch und Fleisch sind ausgenommen

BERLIN taz ■ Am Morgen danach sah alles ganz anders aus: In die verschärfte EU-Richtlinie zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel, die Mittwochabend von der Kommission beschlossen worden war, schnitt dieselbe Kommission am nächsten Tag ein großes Schlupfloch: Eier, Milch und Fleisch von mit Genfutter gemästet Tieren müssen nun doch nicht mit dem Etikett „Genfood“ beklebt werden.

Noch am Mittwochabend hatte es danach ausgesehen: Alle „Lebens- oder Futtermittel, die einen gentechnisch veränderten Organismus (GVO) enthalten, daraus bestehen oder daraus hergestellt werden“, sollten so gekennzeichnet werden, dass der Verbraucher die Wahl hat, erklärte Verbraucherkommissar David Byrne. In einer Übersicht der betroffenen Produkte wurden auch Eier, Fleisch und Milch genannt. Diesen Passus zog die Kommission gestern wieder zurück.

Mit gutem Grund: Denn die konsequente Kennzeichnung mit dem gefürchteten „Genfood“-Etikett hätte die Landwirtschaft in arge Schwierigkeiten gestürzt. Europas Bauern sind für die Fütterung ihrer Schweine, Hühner und Rinder vom Weltmarkt für Futter abhängig. Und der wird etwa beim Soja von den USA dominiert. Dort wiederum sind inzwischen genmanipulierte Sojabohnen so weit verbreitet, dass der deutsche Verband Tiernahrung in Bonn zugibt, man müsse „davon ausgehen“, dass deutsches Tierfutter zu einem guten Teil aus genmanipulierten Produkten bestehe. Eine solche Kennzeichnung, heißt es jetzt vom Verband, würde den deutschen Züchtern „erhebliche Probleme“ bringen.

Umweltschützer hatten gerade diese Kennzeichnung eingefordert. „Jetzt weiß zwar der Bauer, was er füttert, aber der Verbraucher immer noch nicht, was er isst“, sagt Lutz Ribbe, Agrarexperte des Umweltverbands Euronatur. Die Politik sei offenbar „zu feige, um ein generelles Verbot der grünen Gentechnik durchzusetzen“. Denn Verbraucher würden Produkte nicht kaufen, die als Genfood gekennzeichnet wären.

Auch der BUND kritisiert die neue EU-Richtlinie, allerdings in einem anderen Punkt. Byrne Vorschlag sieht vor, Verunreinigung von Lebens- und Futtermitteln mit GVO bis zu einem Prozent zu erlauben. Verbraucherministerin Renate Künast hatte dagegen eine Null-Prozent-Marke gefordert. Die Ein-Prozent-„Toleranzgrenze“ der Kommission sei „aus Verbrauchersicht unakzeptabel“, sagte die BUND-Genexpertin Heike Moldenhauer. „Die EU gibt dem Druck der Industrie und der USA nach.“ Dem Verbraucher dürfe aber Genfood „nicht aufgezwungen werden“. Wer das tue, raube ihm die „Entscheidungsfreiheit, genmanipulierte Lebensmittel abzulehnen“. Genau das wollte Byrne eigentlich nicht. Der erste Satz seinesMittwoch veröffentlichten Textes zur neuen Richtlinie hieß: „Die Wahlmöglichkeit, GVO zu kaufen oder nicht, möchte ich den Verbrauchern in ganz Europa einräumen.“ BERNHARD PÖTTER

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