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„Jene Karte, die Green heißt“

Die Green Card feiert heute ihren ersten Geburtstag. Sie hat erstmals eine ernsthafte Zuwanderungsdebatte angestoßen. Sie hat Arbeitsplätze geschaffen. Doch sie hat auch den „nützlichen Ausländer“ kreiert. Die Zwischenbilanz einer Sponti-Idee

von YASSIN MUSHARBASH

Am Anfang war ein spontaner Ausspruch: Er sei bereit, „jene Karte zu geben, die in Amerika Green heißt“ erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Eröffnung der Computermesse Cebit im Februar 2000. Die Regierung schwärmte, die Wirtschaft sekundierte: Hunderttausende Arbeitsplätze könnten durch den Import von High-Tech-Gastarbeitern geschaffen werden. Aus Schröders Vorstoß wurde eine Verordnung. Seit dem 1. August 2000, seit genau einem Jahr, gilt nun die Green-Card-Regelung.

Seitdem hat die Regierung 8.556 der auf fünf Jahre befristeten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen an IT-Spezialisten ausgegeben, die entweder einen geeigneten Hochschulabschluss oder ein Jahreseinkommen von über 100.000 Mark vorweisen konnten. Etwa ein Fünftel von ihnen sind Inder, danach folgen IT-Experten aus dem ehemaligen Ostblock.

Zugleich, und auch das dürfte zu Schröders Kalkül gezählt haben, führt Deutschland seit dem Cebit-Auftritt eine Debatte um das Thema Zuwanderung. Die Green-Card, eine integrations- und arbeitspolitische Erfolgsstory?

Zunächst die Zahlen, von denen beim ersten Geburtstag der Green-Card niemand spricht: Mindestens 90.000 Green-Cards würden benötigt, hatte die Wirtschaft getönt. Mittlerweile jedoch droht einigen Green-Card-Empfängern die Arbeitslosigkeit. Beim ehemaligen Boom-Unternehmen Infineon beispielsweise wird demnächst entlassen, dann könnte es die ersten treffen. Werden überhaupt noch IT-Spezialisten gebraucht? Irgendwie schon, sagt die Wirtschaft. Aber korrigierte Bedarfsschätzungen hat sie nicht vorgelegt.

Doch so oder so: Deutschland ist für hochqualifizierte Spezialisten nicht so attraktiv wie angenommen. Wirtschaft und Regierung haben übersehen, dass die USA mit der „echten“ Green-Card eine überlegene Konkurrenz darstellen – ohne die Beschränkungen, die Deutschland den Computerspezialisten auferlegt. Zum Beispiel die Begrenzung der Arbeitserlaubnis auf fünf Jahre: „Da macht dann einer im Unternehmen Karriere, leitet vielleicht ein Team, arbeitet an einem langfristigen Projekt, und muss sich dann nach einem anderen Job umsehen“, beschreibt Dirk Matter von der Deutsch-Indischen Handelskammer dieses Problem.

Auch Harianto Wijaya, der Empfänger der allerersten deutschen Green-Card, kritisiert diesen Punkt: „Ich kann nicht verstehen, dass der deutsche Steuerzahler mein Studium bezahlt, mich dann nach fünf Jahren aber wieder nach Hause schickt.“

Wenn die 5-Jahres-Klausel nicht fällt, wird Wijaya wohl ein Angebot aus den USA annehmen, und er wäre nicht der einzige. Sie wird fallen, signalisierte indes Gerd Andres, der Parlamentarische Staatssekretär im Arbeitsministerium. Es bleibt die Frage: Warum gibt es sie überhaupt?

Ein weiterer Punkt, der die Green-Card für ausländische Experten unattraktiv macht, ist das Arbeitsverbot für denEhepartner eines Green-Card-Empfängers. Immerhin hat die Regierung die ursprünglich nicht vorgesehene Möglichkeit des Familiennachzugs geschaffen. Ohne weitere Nachbesserungen wird es aber wohl nicht gehen.

Trotz aller Makel ist die Green-Card arbeitsmarktpolitisch ein Erfolg. Etliche Unternehmen bestätigen die Rechnung der Regierung, dass auf jeden neu eingestellten IT-Experten aus dem Ausland zwei bis drei neue Stellen kommen. Doch Arbeitsmarktpolitik kann ein Zuwanderungsgesetz nicht ersetzen.

Und integrationspolitisch? Die Green-Card hat dazu geführt, dass Zuwanderung nicht mehr nur negativ gesehen wird. Sie hat aber auch daran Anteil, dass sich die Debatte zunehmend an Nützlichkeitserwägungen orientiert.

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