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„Regierung von Mördern“

Nach der Ermordung von acht Palästinensern in Nablus durch die israelische Luftwaffe fordert palästinensische Führung internationalen Boykott gegen Jerusalem

JERUSALEM taz ■ „Dies ist keine Eskalation, sondern eine Kriegserklärung“, kommentierte, Jassir Abed-Rabbo, Kommunikationsminister in der palästinensischen Nationalverwaltung die Ermordung von acht Palästinensern in Nablus. „Wir werden von einer Regierung von Mördern bedroht. Vor Journalisten in Ramallah kündigte Abed-Rabbo gestern an, dass die Palästinenser Maßnahmen ergreifen werden, um unsere politischen Führer zu beschützen. Am Vortag hatte die israelische Luftwaffe die Kommandozentrale der Hamas bombardiert und dabei zwei führende Aktivisten der Bewegung getötet. Bei dem Raketenangriff von einem Hubschrauber aus waren sechs weitere Menschen, darunter zwei Kinder, gestorben.

Die Operation war mit ungewöhnlicher Schärfe von den USA und auch Russland verurteilt worden. Auch das deutsche Außenministerium schloss sich der Kritik an.

Dessen ungeachtet entschied das israelische Sicherheitskabinett nach über fünfstündigen Beratungen am Mittwoch, die Politik der Schritte zur Selbstverteidigung, so der israelische Terminus für die Exekutionen, fortzusetzen. Premierminister Ariel Scharon hatte zwar den Tod Unschuldiger und vor allem der beiden palästinensischen Kinder bedauert, dennoch nannte er die Operation in Nablus einen der größten Erfolge Israels. Auch von den israelischen Ministern ist die Aktion mehrheitlich begrüßt worden.

Bei den Palästinensern stieß umgekehrt die internationale Verurteilung der Hinrichtung auf wenig Sympathie. „Verbale Stellungnahmen reichen uns nicht mehr aus“, sagte die Politikerin Hannan Aschrawi im Verlauf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Abed-Rabbo.

Dies betreffe auch den Einsatz internationaler Beobachter in der Region, wie es die G-8-Staaten während des Gipfeltreffens in der Genua formuliert hatten. „Wir sind es leid, uns mit symbolischen Maßnahmen zu begnügen.“ Mit Beobachtern allein sei es nicht getan.

Aschrawi forderte einen internationalen Boykott Israels, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Die Palästinenserin äußerte ferner Zweifel darüber, ob „die USA sich der großen Gefahr auch für ihre eigenen Interessen“ bewusst seien. Die israelische Regierung nannte sie „eine Ansammlung von Verbrechern, die einen neuen Zirkel der Gewalt“ eingeleitet habe.

Offenbar als eine erste Maßnahme der palästinensischen Führung infolge der Ermordung der beiden Hamas-Aktivisten verurteilte ein Sondergericht drei angebliche Kollaborateure zum Tode. Die Männer waren beschuldigt worden, Israel Ende vergangenen Jahres bei der Exekution eines Fatah-Führers geholfen zu haben. Bereits Mitte Januar hatte ein palästinensisches Exekutionskommando vor laufenden Kameras zwei des Volksverrats angeklagte Männer erschossen, nach internationalen Protesten aber auf weitere Exekutionen verzichtet.

Salim Mansur, einer der zwei getöteten Hamas-Aktivisten, gehörte zu den engsten Beratern von Scheich Ahmad Jassin, dem geistigen Mentor der Hamas. Gegenüber der israelischen Tageszeitung Haaretz erklärte ein Offizier des Sicherheitsdienstes, Mansour habe um einige Stufen höher in der Hamas-Hierarchie gestanden, als alle bisher getöteten Aktivisten der Bewegung.

Die Hamas kündigte unterdessen Vergeltungsschläge an. „Unser Blut ist nicht billig“, kommentierte Scheich Jassin den Tod seines politisches Freundes. „Das israelische Volk wird dafür bezahlen.“

In Jerusalem besteht bereits seit Anfang der Woche höchste Alarmbereitschaft. An Straßenkontrollpunkten werden, laut Auskunft eines Militärsprechers, täglich tausende Fahrzeuge kontrolliert. Konkrete Drohungen auch von Seiten der Fatah richten sich gegen israelische Politiker. SUSANNE KNAUL

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