: Keine Absage an die Gentechnik
In den USA haben die Gegner des Klonens einen Etappensieg errungen. Nun steht die Entscheidung über Bundesgelder für die Stammzellenforschung an
von BERND PICKERT
Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat sich das US-Repräsentantenhaus mit dem Klonen von Menschen beschäftigt – und herausgekommen ist ein kategorisches Nein. Mit 265 gegen 162 Stimmen nahmen die Abgeordneten am Dienstag nach hitziger Debatte einen Gesetzentwurf ihres republikanischen Kollegen aus Florida, David Weldon, an. Danach wird mit Geldstrafe in Millonenhöhe und bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft, wer Menschen klont oder es versucht oder mit Produkten arbeitet, die aus dem Klonen menschlicher Zellen hervorgegangen sind. Der Gesetzentwurf macht keinen Unterschied, ob menschliche Zellen für die wissenschaftliche Forschung, vor allem die Stammzellengewinnung (therapeutisches Klonen), oder zur Herstellung eines Menschen (reproduktives Klonen) geklont werden. Ein Gesetzentwurf des republikanischen Abgeordneten James Greenwood, der das reproduktive Klonen unter Strafe gestellt, das therapeutische Klonen aber erlaubt hätte, wurde mit 251 zu 176 Stimmen abgelehnt.
Noch ist das Gesetz nicht in Kraft. Dazu müsste nach dem republikanisch dominierten Repräsentantenhaus auch der Senat zustimmen, der von den Demokraten beherrscht wird. Wie sich der Senat in dieser Frage entscheidet, ist noch genauso offen wie ein Termin für eine Abstimmung. Die reine Parteizugehörigkeit der Senatoren sagt über ihr Abstimmungsverhalten wenig aus: Im Repräsentantenhaus stimmten 200 Republikaner mit 63 Demokraten und 2 Unabhängigen für das Klonverbot. Noch bei der Vorabstimmung über das Klonverbot im Justizausschuss hatten allerdings vor einer Woche die 11 demokratischen Ausschussmitglieder einhellig gegen das Verbot therapeutischen Klonens gestimmt, während die 18 republikanischen Abgeordneten im Ausschuss das totale Klonverbot durchsetzten.
Die Entscheidung des Repräsentantenhauses ist der vorläufige Höhepunkt einer Debatte über die Gentechnik in den USA, die seit Monaten immer erregter geführt wird. So wird sich Präsident George W. Bush in den nächsten Wochen entscheiden müssen, ob er die Forschung an embryonalen Stammzellen mit Bundesmitteln finanzieren will. Bush hatte nach seinem Amtsantritt mit Rücksicht auf seine konservative Wählerklientel der Abtreibungsgegner und „Pro Life“-Aktivisten diese Finanzierung vorläufig gestoppt. Doch auch im republikanischen Lager wächst der Druck, die Finanzierung wieder aufzunehmen. Mit Verweis auf die Segnungen der Stammzellenforschung für die Behandlung schwerer Erkrankungen sind selbst radikale Abtreibungsgegner wie der republikanische Senator Orrin G. Hatch dafür, diese Forschung zu fördern. Dies sei „eine Entscheidung für das Leben“. Gerade die Debatte über das Klonen zeige, dass es notwendig sei, durch Bundesmittel die Forschung in ethisch verantwortbare Bahnen zu lenken. Im Hintergrund steht freilich die Lobbyarbeit der Reproduktionsindustrie, die im derzeitigen Stadium der Grundlagenforschung um den Fortgang ihrer Arbeit bangt und die Politiker mit immer neuen Verheißungen ködert.
Die Stammzellenforschung selbst, in Deutschland heiß umstritten, ist in den USA erlaubt, und ein Verbot steht auch nicht auf der Tagesordnung, auch wenn „Lebensschützer“ dies fordern. Für sie beginnt menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Die Zerstörung des Clusters von rund 300 Zellen also, aus dem die Stammzellen isoliert werden, ist für sie die Tötung eines Menschen.
Auch bei denjenigenen, die diese Forschung grundsätzlich für sinnvoll halten, ist die Frage strittig, ob die Herstellung von Embryonen ausschließlich zum Zwecke der Stammzellengewinnung ethisch vertretbar ist. Vor drei Wochen hatte das in der Reproduktionsmedizin führende Jones Institute in Virginia bekannt gegeben, auf diese Weise drei neue Stammzelllinien gewonnen zu haben. Bislang waren Stammzelllinien aus Embryonen gewonnen worden, die bei künstlichen Befruchtungen übrig geblieben waren und entweder eingefroren bleiben oder irgendwann vernichtet werden.
Eine Kompromisslinie, die sich der Präsident zu Eigen machen könnte, hat der republikanische Senator Bill Frist aus Tennessee Mitte Juli vorgelegt. Frist ist Abtreibungsgegner, Befürworter der Stammzellenforschung und gilt als wichtigster Ratgeber des Präsidenten in Fragen der Gen-Ethik. Er veröffentlichte zehn Grundsätze der Stammzellenforschung: Danach soll die Herstellung von Embryonen ausschließlich zur Stammzellengewinnung genau wie das Klonen verboten sein, die Herstellung einer begrenzten Zahl von Stammzellinien aus überzähligen Embryonen aber kontrolliert gefördert werden.
Das Abstimmungsergebnis im Repräsentantenhaus muss daher nicht etwa als Absage der US-Politik an die Genforschung insgesamt gewertet werden. Zwar schütteln Forscher wie Mike West von der Massachusetts company, Advanced Cell Technology, die bereits starkes Interesse an Experimenten des therapeutischen Klonens signalisiert hat, noch verzweifelt den Kopf über die „zwei Stunden Desinformation“ bei der Parlamentsdebatte. Doch für die anstehenden Entscheidungen im US-Senat werden bereits jetzt die Leitlinien der anstehenden Lobbyarbeit festgelegt: „Wir werden den Senat auffordern, genauer zu reflektieren und therapeutisches und reproduktives Klonen auseinander zu halten“, sagt Carl Feldbaum, Vorsitzender der Biotechnology Industry Organisation. Genau das will die Gegenseite verhindern: „Die Biotechnikfirmen werden ganz schnell mit dem Aufbau dieser schaurigen Industrie beginnen, wenn der Senat nicht bald aktiv wird“, warnt etwa Douglas Johnson, Sprecher des National Right-to-Life Committee.
Auffällig zurückhaltend sind hingegen diejenigen, die zunächst einmal nur die Bundesfinanzierung der Stammzellenforschung durchsetzen wollen. Sie wissen um die emotionalen Implikationen des Worts „Klonen“ und wollen damit möglichst nicht in Verbindung gebracht werden. Präsident Bush und seine Konservativen, so ihre gar nicht so heimliche Hoffnung, haben gegenüber ihrer Klientel mit dem Klonverbot Profil gezeigt – die Emotionen sind befriedigt. Jetzt kann das wirkliche Leben wieder losgehen – mit Stammzellenforschung und einer Abstimmung im Senat über therapeutisches Klonen.
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