DIE RECHTEN DÜRFEN SICH ÜBER SCHILYS ZUWANDERUNGSENTWURF FREUEN: Kompromiss der Ängstlichen
Seit Jahrzehnten prägt die extreme Rechte die ausländerpolitische Diskussion in Deutschland. Ausländerkriminalität, Scheinasylanten, Ausländerschwemme – rechts außen setzt die Themen, und die bürgerlichen Parteien kuschen. Die einen aus freien Stücken, weil die Rechtsextremen ungeniert aussprechen, was auch sie insgeheim denken. Die anderen, die vermeintlich Anständigen, spielen über Bande und meinen: Wenn wir die Diskussion über Zuwanderung forcieren und zu nett zum ausländischen Mitbürger sind, treiben wir unsere Wähler nur in die Arme extremistischer Parteien.
Das Ergebnis dieser etwas verqueren Form antirassistischer Politik: Bis heute fehlt es an einer rational gestalteten Einwanderungs- und Integrationspolitik. Und viele Probleme, die mit der physischen Existenz von Ausländern in Deutschland in Verbindung gebracht werden, sind das Resultat dieser Verneigung vor den Rechten.
Vor zwei Jahren durfte, wer wollte, die Hoffnung hegen, Rot-Grün könnte dieses Zusammenspiel zwischen Rechtsextremen und politischer Mitte beenden. Sie hat sich nicht erfüllt. Daran ändert wenig, dass nun, 46 Jahre nach Abschluss des ersten Anwerbeabkommens mit Italien, ein Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz auf dem Tisch liegt. Es ist von Bundesinnenminister Otto Schily mit dem festen Willen verfasst: Kein Sozial- und Christdemoktrat soll durch ihn in den Rechtsextremismus getrieben werden.
Tatsächlich wird der Duktus von Schilys Entwurf den Rechten nur wenig Ansätze zur Kritik bieten. Streng hält Schily sich beim Thema Einwanderung an das Nützlichkeitsprinzip: Wer etwas bringt, der ist okay, die anderen Ausländer aber bleiben vor allem ein Sicherheitsproblem. Flüchtlinge und Asylsuchende werden wie eh und je mit spitzen Fingern angefasst. Und die Themen Illegale (Sans Papiers), nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgte bleiben den Philanthropen vorbehalten. Schilys Entwurf leitet keineswegs einen Paradigmenwechsel im Verhältnis Deutsche und Einwanderer ein, er ist lediglich ein Kompromiss der Koalition der Ängstlichen aus CDU, SPD, FDP und Grünen, der die Lage der wirtschaftlich Unnützen verschlechtern wird. EBERHARD SEIDEL
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