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Ruhiger rollen an der Havel

Verkehrsexperten von SPD und Grünen wollen die Havelchaussee als Paradies für Skater und Radler etablieren. Für Autos soll die viel befahrene Straße im Grunewald gesperrt werden. Allerdings nur am Wochenende und frühestens im Sommer 2002

von GEREON ASMUTH

SPD und Grüne überlegen, die Havelchaussee im Grunewald wieder für Autos und Motorräder sperren zu lassen. „Als Paradies für Skater, Radler und Wanderer wäre die Strecke genial“, betonte gestern Michael Cramer (Grüne). Zudem sei das dortige Wasserschutzgebiet durch den starken Verkehr und zahlreiche Falschparker gefährdet: „Bei schönem Wetter ist dort eine permanente Autoschlange.“ Auch Christian Gaebeler (SPD) sind Wildparker und promenierende Autofahrer ein Dorn im Auge.

Schon der erste rot-grüne Senat hatte 1990 eine Sperrung der Havelchaussee durchgesetzt. Zusammen mit der umstrittenen Tempo-100-Begrenzung auf der Avus und der Busspur auf dem Ku’damm sorgten die rot-grünen Verkehrsinitiativen damals für heftigen Protest von Autolobby und CDU. Nach Beginn der großen Koalition schraubte schließlich der damalige CDU-Verkehrssenator Herwig Haase im Frühjahr 1991 die Sperrschilder eigenhändig wieder ab. Seither ist die Durchfahrt nur noch von 24 bis 6 Uhr verboten.

Dennoch hoffen Gaebler und Cramer, dass sich die Proteste nicht wiederholen. Denn anders als vor elf Jahren soll die Chaussee diesmal nicht ständig, sondern nur am Wochenende gesperrt werden – und nur der südliche Teil. Zudem müsse die Erreichbarkeit der am Havelufer gelegenen Gastronomiebetriebe garantiert werden, betonte Gaebler, der eine Umsetzung der Pläne nicht vor Sommer 2002 für realistisch hält. „Wir benötigen im Vorfeld eine Diskussion, die den Nutzern erklärt, warum wir das machen.“ Gewässerschutz und mehr Platz für Freizeitsport seien aber gute Argumente.

Bei den Nutzern der Strecke im Grunewald stieß die Idee gestern jedoch auf Skepsis. Nicht nur Motrorisierte sprachen sich erwartungsgemäß gegen die Sperrung aus. Selbst eine Skaterin hielt sie für überflüssig. „Mir reicht der gesperrte Kronprinzessinnenweg, da gibt es guten Asphalt und viel Platz für uns“, erklärte die Frau. Auch ein Radfahrer war wenig überzeugt. Das Problem seien nicht zu viele, sondern zu schnelle Autos: „Gerade hat mich ein Motorrad mit 120 Stundenkilomtern überholt.“ Erlaubt ist Tempo 30.

Doch mehr Kontrollen seien kaum möglich, erklärte ein Polizeibeamter, der gerade vor Ort Knöllchen an Falschparker verteilte. An Sonntagen mit gemischtem Wetter wie gestern sei das vielleicht machbar, wirklich problematisch seien aber die richtig heißen Wochenenden. Dann nehme der Verkehr überhand, er und seine Kollegen seien aber mit Badeunfällen beschäftigt. Eine Verkehrsberuhigung würde er daher begrüßen. Schlichte Verbotsschilder würden aber kaum beachtet: „Man müsste die Straße schon richtig absperren.“

Ein Spaziergängerpärchen meinte, man müsse vor allem den Durchgangsverkehr verhindern, etwa indem man die Chaussee in der Mitte sperre oder über eine Mautgebühr. „Absperren ist gut“, witzelten auch zwei Skater, „aber mit Ausnahmerecht für uns.“ Denn sonst sei die schöne Strecke wegen ihrer Länge selbst für sie kaum noch erreichbar. Oder es müssten mehr Parkplätze gebaut werden – für Skater, die mit Pkw anreisen. Und die BVG solle einen Pendelverkehr im 5-Minuten-Takt einrichten. Für den würden sie dann auch „richtig viel zahlen“. Derzeit kommen die BVG-Busse nur alle halbe Stunde vorbei.

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