: Viermal so viel
Durchleitung von Strom: Kartellamt geht mit neuer Abteilung gegen Wettbewerbsverzerrung vor
BERLIN taz ■ Betroffen sind vor allem Nord- und Ostdeutschland: Der Bundesverband der Energieabnehmer (VEA) stellt in seiner aktuellen Untersuchung zu den Kosten für die Stromdurchleitung fest, dass die Preisunterschiede für die so genannten Nutzungsentgelte um knapp das Vierfache differieren. Besonders drastisch fallen die Unterschiede im Niederspannungsbereich aus – also jenem, der für die Endverbraucher relevant ist. Während die Netzbetreiber durchschnittlich 13,2 Pfennige je durchgeleiteter Kilowattstunde verlangen, liegt der Preis im ungünstigsten Falle doppelt so hoch, im günstigsten bei der Hälfte.
Das Bundeskartellamt geht jetzt dagegen stärker vor. „Mit einer neuen Arbeitseinheit müssen wir uns ab sofort nicht mehr auf Musterverfahren beschränken, sondern können verstärkt Einzelfälle aufgreifen“, erklärt Kartellamtspräsident Ulf Böge. Sechs Mitarbeiter sind dazu abgestellt, um als 11. Beschlussabteilung Beschwerden zu prüfen, „die zuhauf hier eingehen“, wie ein Sprecher der Behörde erklärt. Durch die Einzelverfahren sei es jetzt möglich, gegen jeden der 294 deutschen Netzbetreiber mit Sanktionen vorzugehen.
Bereits im Februar hatte das Kartellamt ein Musterverfahren gegen den Brandenburger Regionalverteiler E.dis – eine Eon-Tochter – eingeleitet. Gegen den in Fürstenwalde an der Spree ansässigen Netzbetreiber hegte die Behörde den „begründeten Verdacht“, dass er von Wettbewerbern auf dem liberalisierten Strommarkt zu hohe Durchleitungsgebühren einstreicht. Zwar ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. E.dis reagierte aber bereits: Der Preis ist etwa 8 Pfennige nach unten gegangen.
Doch nicht nur überhöhte Nutzungsentgelte behindern in den Augen der Kartellrechtler den Wettbewerb auf dem liberalisierten Markt, sondern auch Eintrittsgelder oder Wechselgebühren. Beides jedenfalls sei dafür verantwortlich „dass Privatkunden auch drei Jahre nach der Liberalisierung kaum vom Wettbewerb profitieren“, so Kartellamtspräsident Böge.
Davon betroffen sind auch zahlreiche alternative Stromanbieter wie Lichtblick, Naturstrom oder Greenpeace Energy. Sie fordern gemeinsam mit dem Bundesverband der Energieabnehmer eine selbständige Regulierungsbehörde nach dem Vorbild des Kommunikationsmarktes. „Bleibt es allein beim Kartellrecht, müssen immer erst langwierige Verfahren abgewickelt werden“, begründet VEA-Vorstand Manfred Panitz die weitergehende Forderung. Doch dagegen sträubt sich Wirtschaftsminister Werner Müller. Lichtblick-Geschäftsführer Heiko von Tschischwitz: „Es liegt die Vermutung nahe, dass die Bundesregierung die alten Monopolisten stützt“. NICK REIMER
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