: Ein Schöpfer, noch in diesem Jahr
In sechs Wochen wollen Severino Antinori und zwei Kollegen mit dem Klonen eines Menschen beginnen. Warnungen ignorieren sie
von MATTHIAS URBACH
Wahrscheinlich wird er bald ein menschliches Monster erschaffen. Trotzdem lud ein Expertengremium der US-amerikanischen Nationalen Wissenschaftsakadamie (NAS) den Fortpflanzungsmediziner Severino Antinori nach Washington ein, um seine Pläne zu hören: Antinori will Menschen klonen. Einigen der elf Mitglieder des Forschergremiums war hinterher nicht mehr ganz wohl, dass sie neben der internationalen Elite der Tier-Klonforscher auch Antinori und seine Mitstreiter Panayiotis Zavos und Brigitte Boisselier eingeladen hatten. Die Einladung werte die drei nur auf. Und tatsächlich löste ihr Auftritt vor dem Gremium einen für die NAS ungewöhnlichen Zustrom von Reportern aus, die der grauhaarige Antinori mit provokanten Statements zu beglücken wusste: Der jüngste Beschluss des US-Repräsentantenhauses, das Klonen von Menschen zu verbieten, katapultiere die USA „zurück ins Mittelalter“. Es sei wie mit der „Taliban in Afghanistan“, rief er den Interviewern und Kameraleuten zu, die ihm dankbar sogar bis vor die Toilette folgten.
Wissenschaftlich hatte er dagegen wenig zu bieten. So schwiegen er und seine Kollegen über die Methode, mit der sie einen Menschen klonen wollen. „Eine Methode ähnlich der beim Schaf Dolly“, erklärte Zavos, emeritierter Professor aus Kentucky, lapidar. In sechzig Tagen solle es losgehen. Wo, können die drei freilich noch nicht sagen, denn in ihren Heimatländern ist ihr Treiben nicht gern gesehen. Wahlweise erzählen sie von Osteuropa oder einem Schiff auf internationalem Gewässer. Besonders interessierte das NAS-Gremium die Frage, ob sie denn nicht mit Missbildungen ihrer Klone rechneten. Nein, so die drei einhellig, das Problem sei nicht größer als bei künstlichen Befruchtungen. Antinori behauptete, er könne „zu 99 Prozent garantieren, dass ich keine Monster produzieren werde“. Das heißt anders herum ausgedrückt: ein Monster in einhundert Fällen. Und zweihundert Möchtegern-Eltern warten angeblich bereits auf eine Behandlung. Antinoris Patienten nennen den Mediziner, der in Italien drei Fortpflanzungskliniken betreibt, „Dr. Wunder“. Einige werden ihn vielleicht schon bald „Dr. Frankenstein“ nennen.
Und das nicht erst nach 100 Fällen. Denn die am Dienstag in Washington versammelten Tierkloner haben schlechte Erfahrungen mit der Technik gemacht. Seit 1997 wurden bereits hunderte von Mäusen, Schafen, Ziegen, Schweinen und Kühen geklont – mit mäßigem Erfolg. Bevor etwa das berühmte Schaf Dolly geboren wurde, hatten die Forscher vom schottischen Roslin Insitut 276 missgebildete Embryonen gezeugt, die sofort oder erst kurz vor der Geburt verendeten. Selbst wenn geklonte Tiere zur Welt kommen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht nach kurzer Zeit sterben oder verkrüppeln.
Im Labor des Biologen Rudolf Jaenisch vom MIT in Boston etwa kamen nur 1 bis 5 Prozent aller von erwachsenen Tieren geklonten Mäuse durch. „Menschen sind auch Säugetiere“, so sein Fazit: „Es ist ziemlich sicher, dass die meisten Menschen genauso abnormal werden wie geklonte Tiere.“ Dies sah auch Dolly-Schöpfer Ian Wilmut so, der „Spätabtreibungen, tote Kinder und überlebende aber abnorme Kinder“ erwartet – „mit einer großen Vielfalt von Missbildungen“.
Das focht die drei selbst ernannten Pioniere nicht an. Auch nicht Bilder von fetten Riesenmäusen, die von der Körperform her eher an Mastschweine erinnerten. Dabei haben sie noch nie einen menschlichen Klon erzeugt. Allein Boisselier deutete an, Versuche gemacht zu haben, ohne aber deutlicher zu werden. Sie betreibt die Firma Clonaid auf den Bahamas und ist ausgerechnet Anhängerin der kanadischen Raelian-Sekte, die an Ufos glaubt.
Kein Wunder also, dass die anschließende Debatte der Forscher erregt verlief. Während die Reden der Kanadierin mit Gelächter quittert wurden, lösten Zavos und Antinoris Beiträge wütende Proteste aus. Vor allem die Behauptung, Missbildungen ließen sich schon früh durch Ultraschall und Fruchtwasseruntersuchungen erkennen. Das Problem bestehe in einer Fehlregulierung der Gene, schimpfte Jaenisch, die nicht immer sofort sichtbar sei. „Ich lasse mich von Ihnen nicht belehren“, pöbelte Zavos entnervt zurück.
Das Haupthindernis beim Klonen ist das Reprogrammieren der erwachsenen Zelle, die man dem Spender entnimmt. Denn eine erwachsene Zelle trägt zwar noch alle Erbinformationen. Doch die Steuerung ihrer Gene ist bereits sehr spezialisiert und nur noch für bestimmte Aufgaben geeignet. Das Reprogrammieren, damit aus der Erbinformation ein kompletter Mensch entstehen kann, muss der Mediziner sehr schnell auslösen, während die reifenden Ei- und Samenzellen lange genug Zeit haben, sich auf den Startzustand einzupendeln. Das führe bei den geklonten Zellen zu vielen Fehlern in der Steuerung, die teilweise aber noch eine Weile von der Zelle toleriert werden können, ohne aufzufallen. Boisselier behauptete jedoch, auch solche Fehler vorab erkennen zu können, was der australische Embryologe Alan Trounson schlicht „lächerlich“ nannte. Trotzdem: „Die meinen das ernst“, urteilte hinterher Alan Colman, der als Chef von PPL Therapeutics am Dolly-Projekt beteiligt war. „Sie werden scheitern, aber weil sie das im Privaten tun, werden wir nichts von den Fehlschlägen hören.“
In der Debatte unter den Forschern dominierten wissenschaftliche, nicht ethische Aspekte: Das Gremium der NAS arbeitet nämlich an einer wissenschaftlichen Empfehlung zum Klonen. Dabei geht es den Experten auch darum, den Unterschied zur Stammzellenforschung herauszuarbeiten. Denn in der augenblicklichen Debatte in den USA wird das alles zusammengeworfen. Mit der Einladung von Antinori, Zavos und Boisselier könnten sie sich einen Bärendienst erwiesen haben. Ausgerechnet Zavos kam dennoch mit einem ethisch gemeinten Argument: Irgeneiner würde so oder so mit dem Klonen anfangen. „Da ist es doch besser, wenn wir das machen und nicht die Husseins und Bin Ladens dieser Welt.“ Fragt sich, wo da der große Unterschied ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen