labor deutschland: Von den Kindern der Inder lernen
Wer heute als Gastarbeiter nach Deutschland kommt, hat so etwas wie die Gnade der späten Geburt. Denn anders als früher ist Integration neuerdings ein Thema. Waren Politik und Wirtschaft einst froh, wenn „der Türke“ arbeitete und schwieg, lässt man sich heute das Wohlbefinden der Greencardler durch Erhebungen und Pressekonferenzen bestätigen. So stellte gestern das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine Studie vor, die im Auftrag des Bildungsministeriums entstanden ist. Erfreuliches Ergebnis: Die IT-Spezialisten, meist aus Osteuropa, haben sich gut eingelebt.
Kommentarvon ASOK PUNNAMPARAMBIL
So schön das ist: Es zeigt wieder, dass die Greencard-Besitzer einen Sonderstatus genießen – sie sind sozusagen „Einwanderer de Luxe“. Denn die Integration von Flüchtlingen und Türken stößt weiterhin auf kein sonderlich großes Interesse. Und wenn, dann nur als Vorwurf: Für viele Deutsche gilt als ausgemacht, dass „die Türken“ selbst schuld sind, wenn sie keinen Zugang zur deutschen Gesellschaft finden. Was müssen sie auch in Ghettos leben. Kein Wunder, dass sie kein Deutsch können und schlechte Bildungs- und Arbeitsperspektiven haben.
Ob das auch so gekommen wäre, wenn „die Türken“ ebenso umsorgt worden wären wie jetzt die IT-Spezialisten? Vielleicht hätte es gereicht, die damaligen Gastarbeiter nicht dort, wo sie gebraucht wurden, auch allesamt unterzubringen. So waren Ghettos unausweichlich. Vielleicht hätte es genügt, sich um das Deutsch der Frauen zu bemühen. Dann hätten sie es mit ihren Kindern auch gesprochen.
Dafür spricht jedenfalls eine „Vergleichsstudie“, die im Einwanderungslabor Deutschland ungewollt entstanden ist. Denn auch wenn von den Indern erst seit einem Jahr die Rede ist – einige von ihnen leben schon seit dreißig Jahren in Deutschland. Anders als bei den Türken waren es aber die Frauen, die kamen, um als Krankenschwestern einzuspringen. Zudem hatten sie das Glück, dass sie quer über alle Hospitäler verteilt und damit weit verstreut wurden. Ghettos konnten nicht entstehen. Konsequenz: Sie alle beherrschen Deutsch, sprechen es mit ihren Kindern, sind in den Alltag ihrer deutschen Kollegen integriert.
Auch wenn dieses Experiment nie geplant war – Deutschland sollte daraus lernen und Sprachunterricht für alle seine Einwanderer anbieten, nicht nur für die momentan so begehrten Experten.
Der Autor ist in Bonn geboren und lebt jetzt in Berlinnachrichten SEITE 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen