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Bei der Sozialbürokratie nachgehaktHilfe für Yvonne

■ Sie versuchen's immer wieder: Wie sich Behörden trotz Titels drücken

Die 13-jährige Yvonne kann sich heute zur Tobias-Sonderschule fahren lassen, ohne dass sich die Mutter Sorgen machen muss, wie sie das bezahlen soll. Total normal? Eigentlich ja.

Am vergangenen Freitag – es war gegen elf Uhr – allerdings hatte die Mutter, die zwei Kinder adoptiert hat und allein erzieht, einen Brief vom Amt für Soziale Dienste bekommen, in dem klar festgestellt wird: Die Kosten für die Sonderschule werden nicht vom Sozialamt bezahlt, Schule sei Sache der Bildungsbehörde. Das Timing, dass dieser Brief zwei Tage vor Beginn des neuen Schuljahrs kam, lässt sich wohl kaum mit der besonderen Fürsorgepflicht des so genannten „Amtes für Soziale Dienste“ erklären. „Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift beim Ortsamt Obervieland Einspruch erhoben werden“, endet das Schreiben.

Die Bildungsbehörde hatte dem Sozialamt schon vor mehreren Wochen mitgeteilt, dass das Kind mit Zustimmung der Bildungsbehörde in die (private) Sonderschule geht und, da die Mutter sozialhilfe-berechtigt ist, die Sonderkosten vom Sozialamt getragen werden müssten.

Der Streit zwischen den Behörden tobt seit mehreren Jahren. Mehrfach hat das Bremer Verwaltungsgericht sich mit dem Thema befasst. So empfahl die Bildungsbehörde der Mutter auch diesmal den Klageweg, als die am Freitag Mittag um einen Rat fragte. Sie solle sich direkt an ihren Anwalt wenden.

Der Anwalt hatte bereits einen gerichtlichen Titel erzwungen, dass das Sozialamt zahlen musste. Als das Kind ins erste Schuljahr kam, hatte er vor dem Verwaltungsgericht im Eilverfahren einen Titel erwirkt, der das Sozialamt zur Zahlung verpflichtete (vgl. taz 28.4.2000). Das hinderte die Sozialbehörde nicht, wieder eine Zahlung zu verweigern, als das Mädchen in die zweite Klasse kam. (vgl. taz 4.11.2000) Der Kampf begann erneut. Und nun kommt zwei Tage vor Beginn des dritten Schuljahres wieder ein derartiger Brief. „Das ist eine Schweinerei“, hatte der Anwalt der Frau schon damals gesagt.

Und der Fall von Yvonne B. ist nicht der einzige. Im Dezember 2000 hatte das Verwaltungsgericht in einem ganz ähnlich gelagerten Fall die Sozialsenatorin verpflichtet, die Kosten für die private Sonderschule zu tragen – rückwirkend bis zum 3.2.1997. Solange hatten die Eltern vor Gericht kämpfen müssen, bis sie schließlich ihr Recht durchsetzten.

Bis heute haben die beiden Behörden des Bremer Senats sich nicht darauf geeinigt, aus welcher Tasche im Fall der Yvonne B. die notwendigen Kosten bezahlt werden. Im November 2000 hieß es in der taz über die Angelegenheit: „Dieser alte Behördenstreit wird derzeit weiter auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen.“

Auch diesmal bat die taz bei der Sozialbehörde und bei der Bildungsbehörde um eine Stellungnahme dazu, wie es denn sein kann, dass zwei Tage vor Schulbeginn einer Mutter so ein Brief zugestellt wird. Kaum eine Stunde später meldete sich die Bildungsbehörde bei der Mutter. Ob sie denn die Presse informiert habe ... Sie solle sich keine Sorgen machen: Die Kosten für die Tochter würden übernommen. Welche Behörde zahlen werde, das werde sich finden. Der Streit der Behörden, so die Begründung aus der Bildungsbehörde, solle in keinem Fall auf dem Rücken der Mutter ausgetragen werden.

Ist es ist nicht erfreulich, wie prompt Behörden sogar am Freitagmittag noch zu einer „kundenorientierten“ Entscheidung finden können?! K.W.

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