: Metastasische Mutationen
Brachiale Schleim-Showdowns und surreale Latexdeformationen: Das Fantasyfilmfest widmet dem Regisseur Brian Yuzna, seinem postmodernen Körperkino, eine Hommage
Der amerikanische Splatterfilm der 70er Jahre war postmodernes Kino in reinster Form. In den wüsten Schlachtexzessen gesichtsloser Serial- und Psycho-Killer wurden die von spätkapitalistischer Entfremdung gezeichneten Körper auf das Brutalstmögliche überwunden – zu Gunsten einer diffusen Anti-Kultur, die mit der althergebrachten kulturellen Organisationsform gebrochen hatte. Jason, Michael Myers und Freddy Krueger waren Manifestationen eines zivilisatorisch Unbewußten – mitten unter uns. Die Körper ihrer Opfer wurden zum Text einer gesellschaftlichen Bankrott-Erklärung. Schon in den 50er Jahren hockte Ed Gein einsam auf seiner Farm in Wisconsin und rekonstruierte aus Einzelteilen menschlicher Leichen praktische Alltagsgegenstände. Ein in dieser Konsequenz fast apokalyptisches Schattenspiel des Dekonstruktivismus. Die Körper verloren ihre kulturelle Vefasstheit und wurden zu Fleisch.
Die Filme des Produzenten und Regisseurs Brian Yuzna, dem das Fantasy Filmfest in diesem Jahr die Hommage widmet, sind postmodernes Körperkino par excellence - von einer visuellen Unmittelbarkeit, die jegliche Symbol-Ebene überläuft. Der Körper ist keine metaphysische Einheit mehr wie noch in den klassischen Horrorgeschichten Edgar Allen Poes, sondern formbares Rohmaterial. In Yuznas Filmen treiben Metamorphosen die schönsten Blüten. Er ist ein Fantast des Fantastischen Films.
1985 begründete er mit seiner Produktion „Re-Animator“, lose basierend auf einer unbekannteren H.P. Lovecraft-Kurzgeschichte, ein völlig neues Sujet des Splatterfilms. Regie führte damals der Debütant Stuart Gordon, mit dem Yuzna ein Jahr später bei der zweiten Lovecraft-Verfilmung „From Beyond“ noch einmal zusammenarbeitete. Das in diesen Filmen angelegte Tableau aus gothischen Bildern, de Sadeschen Metaphern, sexueller Gier, Wahnsinn und metastatischen Körpermutationen war äußerst kunstvoll und etablierte ein ganz eigene Lovecraft’sche Film-Ästhetik. Und wie bei allen früheren Yuzna-Filmen blieben die Macken nicht lange bei sich, sondern brachen sich furios Bahn – direkt durch die Körper. Mit der Fortsetzung „Bride of the Re-Animator“ – dieses Mal in Eigenregie – schwelgte Yuzna in den Special Effekten des SFX-Wizzards Screaming Mad George. Dessen Effekte, eine Mischung aus knackendem Autopsie-Humor und surrealen Latexdeformationen, trugen maßgeblich zum Kultstatus der Yuzna- und Gordon-Filme bei.
So auch bei Yuznas Regie-Debüt „Society“ von 1989, einer an 80er Jahre-Teeniefilme angelehnte High Society-Satire um eine obskure Geheimgesellschaft, die ihre wenigen bizarren Effekte sehr gezielt einsetzt, um schließlich in einen brachialen Schleim-Showdown zu gipfeln. Der Schlüsselsatz „The rich have always sucked up low-class shit like you“ ist hier ganz wörtlich zu nehmen und wird auch entsprechend drastisch bebildert: Körper wuchern, verschmelzen zu amorphen Massen und werden von Innen nach Außen gestülpt.
Mit „Return of the Living Dead 3“ nahm er sich 1993 den Splatterfilm noch ein letztes Mal vor. Ein Jahr nach Peter Jacksons „Braindead“ zog er den definitiven Schlußstrich unter das Sub-Genre des Zombiefilms. Schönere Zombies hat es nie wieder gegeben, die Explizität der Gewalt zwang den deutschen Verleih dazu, den Film um acht (!) Minuten zu kürzen. Die fast wehmütige Stimmung verlieh dem trashigen Teenager-Liebesdrama sogar eine gewisse Ernsthaftigkeit.
Vom Splatterfilm ist Yuzna längst abgekommen. Seine letzten Filme „The Dentist“ oder „The Progeny“ wie auch die aktuelle Comic-Verfilmung „Faust: Love of the Damned“ leben vor allem von den fantasievollen SFX-Exzessen Screaming Mad Georges. Mit seiner neuen Produktionsfirma Fantastic Factory kümmert sich der „Roger Corman der 90er“ außerdem wieder verstärkt um den Nachwuchs. Die Hommage mit ausschließlich älteren Filmen soll jedoch auch daran erinnern, dass der Horrorfilm in Brian Yuzna einen der wichtigsten Apologeten der Theaterschule des Pariser „Grand Guignol“ besaß, dessen Filme den Horror und die Komödie, die Tragödie und das Melodram nebeneinander existieren lassen konnten. ANDREAS BUSCHE
Heute „Society“, morgen „Return of the Living Dead 3“ und Mittwoch „Necronomicon“ von Brian Yuzna, jeweils 16 Uhr 15, Cinemaxx am Potsdamer Platz
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