Die CDU mauert sich ein

Auf ihrer Kundgebung am Checkpoint Charlie zum 40. Jahrestag des Mauerbaus gehen die Christdemokraten auf Distanz – zu gegnerischen Parteien, Kritikern und potenziellen Wählern

von YVONNE GLOBERT

Hedwig Opalka darf den inneren Kreis betreten und lächelt zufrieden. Mit drei Bussen und 180 Mitgliedern ihres CDU-Kreisverbandes aus dem entfernten Hildesheim ist sie zur CDU-Kundgebung angereist. Alle haben eine Einladung bekommen und dürfen der CDU-Prominenz am Checkpoint Charlie nun aus nächster Nähe sehen.

„Liebe Gäste, Berlin ist frei“, tönt die Bundesvorsitzende Angela Merkel beschwörend in die Menge und Opalka strahlt: „Die Frau ist klasse.“ Gern zeigt sie ihre Schwarzweiß-Fotos , die sie 1962 gemacht hat von der Siegessäule und natürlich auch von den Kränzen, die für Mauerflüchtlinge niedergelegt worden sind. „Ja, wir waren der Mauer und ihrer Geschichte schon immer verbunden“, sagt Opalka und freut sich, dass „Ost und West jetzt gemeinsam dem Mauerbau gedenken können“.

Ein schöner Ausflug. Nur manchmal wirft sie den Kopf irritiert nach hinten. Dorthin, wo der Innenkreis der Kundgebung aufhört und sich eine neue Mauer aus Polizisten und Absperrungen gebildet hat. „Erinnern heißt Freiheit verteidigen“, prangt über der Bühne, auf der sich neben Merkel auch Eberhard Diepgen und Frank Steffel postiert haben. Der Innenkreis, den die Redner und ihre Gäste bilden, wirkt ein wenig wie eine Festung. Die beste Verteidigung ist der Angriff. Und der richtet sich ausnahmslos gegen SPD und vor allem PDS.

Merkel warnt die Sozialdemokraten eindringlich, sich aus „machttechnischen Gründen“ mit der PDS zu verbünden. Diese hätte ihr Recht verwirkt, in Berlin Politik zu machen, weil sie Grundprinzipien der Bundesrepublik in Frage stelle. „Berlin muss ein Symbol der Freiheit bleiben“, schmettert sie der Menge entgegen und erntet innerhalb der christdemokratischen Festung Jubel.

Wenn die SPD mit der PDS nun zusammenarbeiten wolle, bringe sie so ihre „Geringschätzung für die Opfer“ des SED-Regimes zum Ausdruck, ergänzt später CSU-Chef Edmund Stoiber.

Außerhalb des inneren Kreises erntet er für Bemerkungen wie diese von einer Gruppe linker Demonstranten Buhrufe und Pfiffe aus schrillen Trillerpfeifen. Auch Gerrit Brüning von der Hochschulgruppe „Linksruck“ brüllt gegen Stoiber und Co. an. „Die reden gegen die Mauer. Aber wer will denn immer die Flüchtlinge in Deutschland abschieben“, fragt er sauer.

Aus kritischer Distanz betrachtet auch die Passantin Barbara Böhm die Kundgebung. Ihre Kritik richtet sich vor allem dagegen, „wie schamlos und geschichtslos die CDU die Symbolik des Mauerbaus für ihren Wahlkampf benutzt“. Auch ihr ist nicht entgangen, dass die Absperrung der CDU genau dort verläuft, wo einst die echte Mauer stand. Die Kundgebung hätte anders verlaufen können. Ein älterer Mann hätte gerne eine Annährung zwischen den Politikern und ihren jungen Kritikern gesehen: „Wenn man Demokratie wirklich will, muss man sich auch darum bemühen, zusammenzukommen.“

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