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Wachtelkönigverträglich

Senat setzt neues Naturschutzgebiet fest. Behörde will schnellere Ausgleichsmaßnahmen  ■ Von Gernot Knödler

Zumindest der Moorgürtel ist jetzt vor der A 26 sicher. Der rot-grüne Senat hat das Gebiet, das mit 738 Hektar etwa doppelt so groß ist wie Neuwiedenthal, in seiner letzten Sitzung unter Naturschutz gestellt. „Aus meiner Sicht ist das der größte Fortschritt, den wir in Sachen Naturschutz in dieser Legislaturperiode erreicht haben“, sagte Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) gestern. Der Umweltverband NABU sprach ebenfalls von einem großen Erfolg, warnte aber davor, dass das Schutzgebiet von der Autobahn im Norden und einer neuen Wohnsiedlung in Neugraben-Fischbek „in die Zange genommen“ werden könnte.

Mit dem Moorgürtel hat die erste rot-grüne Koalition insgesamt mehr als 1200 Hektar Landesfläche unter Naturschutz gestellt und dabei vier neue Naturschutzgebiete geschaffen. Dagegen steht „der schmerzhafte Rückschlag, den der Verlust eines Teils des Mühlenberger Lochs für den Naturschutz bedeutet“, wie es der Umweltsenator ausdrückte, und die Zustimmung zur Hafenerweiterung in Altenwerder sowie zur Elbvertiefung.

Porschke nutzte die Vorstellung des Schutzgebietes, um auf weitere Erfolge rot-grüner Umweltpolitik hinzuweisen: ein besseres Naturschutzgesetz und neue Instrumente, um Ausgleichsmaßnahmen schneller und besser zu realisieren.

Der Moorgürtel zwischen Neugraben-Fischbek und dem Francoper Hinterdeich ist vor allem als wichtiges Brutgebiet des Wachtelkönigs bekannt. Der Senat hat es deshalb 1998 als EU-Vogelschutzgebiet angemeldet. Paradoxerweise bietet die jetzige Ausweisung als Naturschutzgebiet mehr Sicherheit: Bei Eingriffen können die Umweltverbände klagen.

Weil im Moorgürtel nie intensive Landwirtschaft betrieben wurde, ist er zum Refugium für viele Tier- und Pflanzenarten geworden. Hier wachsen Orchideen, die Sumpfdotterblume und der seltene Schlangenknöterich, hier spießt der Neuntöter seine Beute auf Dornen. Der Botanische Verein hält diese Welt allerdings für bedroht. Vor zwei Wochen warnte er vor einer Austrocknung des Gebiets.

Nach Aussage Porschkes beobachtet die Umweltbehörde deshalb die Auswirkungen der Grundwasserförderung. Eine Lösung sei „absehbar“. Außerdem verhandle die Behörde mit Obstbauern und Umweltverbänden über die Wasserstände in den Wettern nördlich des Moorgürtels, die für dessen Feuchtigkeit mitverantwortlich sind. Zu nass dürfe das Moor jedoch auch nicht werden. „Die Wasserstandsregelung muss wachtelkönigverträglich sein“, sagte der Senator.

Zur Verbesserung des Ausgleichs zerstörter Natur richtete der Senat ein Sondervermögen ein. Die Umweltbehörde sammelt darin Ausgleichsabgaben und betreibt mit dem Geld Naturschutz. So werde vermieden, „den Bock zum Obergärtner zu machen“, indem Behörden, die Eingriffe betrieben, auch für den Ausgleich zuständig wären. Überdies vereinbarte der Senat Vorbehaltsflächen für Ausgleichsmaßnahmen, richtete ein Eingriffs- und Ausgleichskataster ein und beschloss mit der Landwirtschaft, was als Ausgleich gelten kann und was nicht.

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