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Versuchsweise harpuniert

Polizei schießt erstmals im Einsatz mit einer Elektroschockwaffe, um einen potenziellen Selbstmörder lahm zu legen. Die Waffe ist derzeit noch im Versuchsstadium. GdP und PDS: Rechtsgrundlage fehlt

von DIRK HEMPEL

Sondereinsatzkommandos der Polizei erproben eine neue Waffen am lebenden Objekt. Und das seit gestern nicht nur an Freiwilligen. In den frühen Morgenstunden schoss ein Beamter in Kreuzberg mit einer Elektroschock-Distanzwaffe auf einen 37-Jährigen. Der Getroffene wurde daraufhin in ein Krankenhaus eingeliefert und an ein 24-Stunden-EKG angeschlossen. Die Polizei will ihn auf mögliche Schäden durch die neue Waffe untersuchen. Die Gewerkschaft der Polizei und die PDS kritisierten gestern den Einsatz der Waffe ohne Rechtsgrundlage.

Offiziell wird die Elektroschockpistole mit dem Namen „Advanced Taser M 26“ in Berlin erprobt – „unter Einsatzbedingungen“, wie es heißt. Mit dem gestern erfolgten erstmaligen Einsatz dieser Waffe in Deutschland ist die Erprobung jetzt jedoch ausgesetzt, wie die Sprecherin der Innenverwaltung, Svenja Schröder-Lombs, erklärte. Der Grund: Erst soll die Wirkung der Waffe untersucht werden – am Beispiel des angeschossenen 37-Jährigen. Erst nach einem Bericht der Polizei wird entschieden, ob die Tests fortgesetzt werden. „Zum realen Einsatz wird es so lange nicht kommen“, versicherte Schröder-Lombs der taz.

An der Benutzung eines Menschen als Versuchsobjekt scheint sich bei Polizei und Innenverwaltung niemand zu stören. Bisher hatten sich Polizisten freiwillig als Versuchsziele für die Elektroschockwaffe zur Verfügung gestellt. „Und denen ist ja nichts weiter passiert“, wie ein Insider berichtet.

Mit den Taser-Geräten werden zwei an Drähten befestigte Elektroden mit Widerhaken abgeschossen. Zwischen den beiden Polen ist ein Spannung von 50.000 Volt angelegt, die das Zentralnervensystem des Getroffenen sofort lähmt und ihn handlungsunfähig macht. Die von der Berliner Polizei derzeit getesteten Geräte haben eine Reichweite von sieben Metern und kosten knapp 1.000 Mark. Im April hatte eine Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz die Erprobung dieser in den USA schon seit Jahren benutzten Waffe angeregt. Seit Juli läuft der Probebetrieb in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen, zum Einsatz kamen die Geräte bisher aber nicht.

Kein Wunder, die rechtliche Grundlage für den Einsatz der Taser-Pistolen ist unklar. Die Polizei beruft sich darauf, sie habe die Waffe „im Rahmen des übergesetzlichen Notstandes als letztes Mittel eingesetzt, um den Mann zu retten“. Der 37-Jährige hatte mit Selbstmord gedroht. Er sei anders nicht davon abzuhalten gewesen, sich aus einem Dachfenster zu stürzen. Ein Sprungkissen der Feuerwehr habe wegen der „baulichen Gegebenheiten“ nicht direkt unter dem Fenster aufgestellt werden können. Laut Schröder-Lombs ist der Taser-Einsatz durch das Gesetz über die Anwendung des unmittelbaren Zwangs gedeckt.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, sieht dagegen noch „keine gesetzliche Regelung für die Verwendung dieser Geräte im Einsatz“. Auch der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich zeigt sich „außerordentlich verwundert, dass die Polizei Waffen einsetzt, die rechtlich nicht legitimiert sind“. Die PDS ersuchte gestern daher Innensenator Ehrhart Körting (SPD) um Aufklärung.

Der Einsatz der neuen Waffe ist auch in ihrem Herkunftsland umstritten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation amnesty international berichtet ein Gerichtsmediziner aus den USA von mindestens „16 Todesfällen im Zusammenhang mit Tasern in Los Angeles“. Besonders bei Herzkrankheiten oder Drogengebrauch der Getroffenen sei der Einsatz des Elektroschockgeräts problematisch.

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