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Linke Bastion wackelt

Das Bielefelder „StadtBlatt“ ist fast 25 Jahre alt und das „einzige kritische Alternativorgan in Ostwestfalen“. Nun wurde vom Geschäftsführer ein Insolvenzantrag gestellt, Ausgang ungewiss

Das Interesse an einer kritischen Lokal-berichterstattung ist rar geworden

von JÖRG SUNDERMEIER

Das Bielefelder StadtBlatt wird Anfang des kommenden Jahres 25 Jahre alt. Doch könnte es nun sein, dass es zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr existiert. Am 2. August hat Jörg Deppe, der Geschäftsführer der StadtBlatt-Verlags GmbH den Antrag auf ein Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Bielefeld gestellt. Das bedeutet, dass eine der letzten selbst verwalteten Zeitungen der Bundesrepublik vielleicht schließen muss. Zwar lässt der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter vorerst noch das Erscheinen der Zeitung zu, unklar ist allerdings, wie lange.

Bei der Gründung des StaBla sah das noch ganz anders aus. Es ging um die Befreiung der Welt und seiner selbst. Man hatte erlebt, dass die Lokalpresse Themen unterschlug oder herunterspielte – bei der Berichterstattung über Demonstrationen wurde die Bewertung der Polizei übernommen, über die Innenstadtentkernungen wurde geschwiegen oder die für den Abriss vorgesehenen Gebäude wurden als baufällig dargestellt und so „kaputtgeschrieben“. Probleme von Migrantinnen und Migranten schließlich wurden überhaupt nicht berücksichtigt.

Die Presse hatte ihr kritisches Potenzial verspielt, sie machte sich zum Sprachrohr der Stadtoberen. So fanden sich in verschiedenen Städten Initiativen zusammen, die einen nichtaffirmativen politischen Journalismus betreiben wollten und daher eigene Blätter gründeten. Auch die taz ist so entstanden. Und ähnlich wie bei der taz ging es beim StaBla zunächst streng demokratisch zu, es gab 1977 bei einer Auflage von tausend Exemplaren nur ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weder einen Verleger noch einen Chefredakteur, und selbstverständlich waren alle an sämtlichen Arbeitsprozessen beteiligt: man textete, layoutete und half schließlich auch noch beim Verkauf der Zeitung.

„Unsere Themen sind nicht die großen Rathausempfänge und glatten Sonntagsreden, sondern die Alltagsprobleme der Menschen an ihrem Arbeitsplatz und in ihrem Stadtteil“, stand auf einem der ersten Werbeplakate. Doch das StaBla als Wochenzeitung musste sich schon bald professionalisieren, um überleben zu können, denn zum einen verstritten sich immer wieder die Fraktionen, zum anderen war auf ehrenamtliche Mitarbeiter nicht immer Verlass, zum dritten schließlich stagnierte das Anzeigengeschäft. Darum gründete man eine GmbH und später auch eine feste Redaktion.

Diese war natürlich weiterhin für die Initiativen offen und – Bielefeld ist klein – musste durchaus abends in der Kneipe noch mit Mitgliedern aus diversen Alternativgruppen diskutieren. Dank seiner Offenheit wurde das StaBla zu einer wichtigen Bielefelder JournalistInnen-Schule, viele Autorinnen und Autoren, die später für Stern, Brigitte, Titanic, TV Spielfilm, SZ, Jungle World, taz etc. schrieben, hatten ihre ersten Artikel im StaBla veröffentlicht oder dort eine Weile in der Redaktion gearbeitet.

Während andere, parallel zum StaBla entstandenen Zeitungsprojekte zusehends zu Hochglanzmagazinen wurden (von denen nur noch wenige, die Kölner Stadtrevue etwa, selbst verwaltet sind), andere wie die Berliner Radikal oder der InformationsDienst eingingen oder gar in den Untergrund abtauchen mussten, musste das StaBla lernen, dass die Leserschaft und die Anzeigenkunden bedient werden müssen. Der Kleinanzeigenteil wuchs und wuchs und man führte einen Veranstaltungskalender ein, in dem Konzerte gegenüber den Vorträgen immer wichtiger wurden. Dennoch wollte das StaBla seinen journalistischen Anspruch nicht völlig über Bord werfen – darum erwarb der StadtBlatt-Verlag den swing-Verlag und somit das kleine Hochglanzmagazin swing, das ganz auf die Bedürfnisse der Werbeindustrie zugeschnitten war.

Mit dieser Verlagstochter hoffte man die möglichen Verluste ausgleichen zu können, die das StaBla selbst erwirtschaften würde. Und hier nahm wohl auch die jetzige Krise ihren Lauf. Denn swing wurde vor einigen Jahren zugunsten eines A 6-Heftes namens index eingestellt, das kaum erfolgreich war. Nur mit der Hilfe des Tochterverlages also war das kostenintensive StaBla mit seiner knappen 8.000er-Auflage nicht mehr zu retten.

Als ein weiteres Problem kam in den letzten Jahren die politische Situation Bielefelds hinzu – stammten die RedakteurInnen des Blattes noch aus einer Generation, in der es progressiv war, bei den Grünen engagiert zu sein, empfindet man heute das grün-alternative Engagement der Zeitung als eher fragwürdig.

Zwar interviewt das StaBla heute beispielsweise „sein“ MdB Annelie Buntenbach zu Genua, doch weiß es selbst wenig zu sagen. Zwar findet man das Nato-Bombardement Jugoslawiens schwierig, mag aber seinem Außenminister nicht widersprechen, zwar hat man seine Probleme mit der Grünen-Fraktion im Rathaus, aber man möchte abends gern ein Bier mit den Ratsmitgliedern trinken. Und so unterscheidet sich das StaBla manchmal kaum noch von der SPD-nahen Tageszeitung Neue Westfälische, die zusammen mit dem konservativen Westfalen-Blatt früher das Angriffsziel war. Allerdings ist das StaBla nie völlig konform gewesen, immer wieder hat es auch Platz für radikale linke Meinungen eingeräumt. Und es ist immer noch das einzige kritische Alternativorgan in Ostwestfalen.

Viel stärker noch als unter der eigenen Anbindung an die Institutionen leidet das StaBla unter der Entpolitisierung seiner potenziellen Leserschaft – die Studentinnen, Studenten, Kneipenbetreiberinnen und Alternativladenbesitzer, die sich noch für eine kritische Lokalberichterstattung interessieren, sind in Bielefeld inzwischen rar geworden. Doch noch erscheint das Bielefelder StadtBlatt. Die Redaktion macht ungebrochen weiter: „Wir wollen nicht nur informieren, nicht nur unterhalten, nicht nur analysieren, nicht nur kritisieren, sondern alles auf einmal. Uns liegt an einem publizistischen Abbild dieser Stadt. Damit eben auch MigrantInnen und SozialhilfempfängerInnen Darstellung finden. Da sind wir parteiisch.“

Hoffentlich wird das von den Leserinnen und Lesern goutiert, und eine große Welle der Solidarität kann dem Blatt doch noch zu einem glücklichen 25. Geburtstag verhelfen.

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