: In Angola eskaliert der Bürgerkrieg
Unita-Rebellen bekennen sich zu Angriff auf Eisenbahn mit 150 Toten. Friedensaussichten rücken in weite Ferne
BERLIN taz ■ Die Rebellenbewegung Unita in Angola hat sich zu dem blutigen Anschlag auf einen Eisenbahnzug bekannt, bei dem am vergangenen Freitag 152 Menschen ums Leben kamen. Sie saßen in einem Zug, der 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Luanda auf einer der wenigen funktionierenden Eisenbahnstrecken des Landes verkehrte. Er entgleiste erst auf einer Landmine und wurde dann von wartenden Rebellen beschossen. „Der Konvoi transportierte Benzin, Munitionen, Ausrüstung und Lebensmittel für die Armeekaserne Cambambe“, rechtfertigte die Unita die Aktion am Montag.
Der Krieg zwischen der Rebellenbewegung Unita (Union für die totale Unabhängigkeit Angolas) unter Jonas Savimbi und der Regierung unter der einst kommunistischen MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung) herrscht in Angola seit der Unabhängigkeit 1975. Eine Million der heute 12 Millionen Bewohner sind dabei ums Leben gekommen, vier Millionen wurden vertrieben. Das letzte Friedensabkommen, das 1994 in Sambias Hauptstadt Lusaka unterzeichnet wurde und von UN-Blauhelmen überwacht werden sollte, brach 1998 zusammen.
Zwischen Dezember 1998 und November 1999 eroberte die Regierungsarmee fast alle bisher von der Unita kontrollierten Landesteile. Milliardeneinnahmen der Regierung aus dem Ölexport hatten eine massive Aufrüstung der Armee ermöglicht, während die Milliardengeschäfte der Rebellen aus dem Diamantenexport durch UN-Sanktionen behindert wurden.
Seit Ende 1999 hat sich die Unita auf Guerillaangriffe verlegt, mit denen sie es aber schafft, in 15 der 18 Provinzen Angolas das Leben lahmzulegen. Nach wie vor sind die meisten Städte Angolas nur aus der Luft zu erreichen, weite Landesteile sind völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Mit regelmäßigen Angriffe nahe der Hauptstadt Luanda halten die Rebellen die Kriegsstimmung aufrecht.
Die MPLA-Regierung unter Staatschef Eduardo dos Santos hat ihrerseits trotz der militärischen Überlegenheit alle Bemühungen um eine neue Friedenslösung abgelehnt und geht zunehmend aggressiv auch gegen die von ihr beherrschte Bevölkerung und zivile Oppositionskräfte vor. Katholische Kirche und ein „Bündnis der unbewaffneten Opposition“ aus kleinen Parteien im Parlament versuchen seit zwei Jahren, Perspektiven für einen neuen Dialog zwischen den Kriegsparteien auszuloten. Als „dritte Kraft“ wollen sie das Lusaka-Abkommen von 1994 neu aushandeln und sich dabei eine Rolle in der Politik sichern. Die Regierung beharrt demgegenüber auf der Treue zum Lusaka-Abkommen, das unter anderem eine Demobilisierung der Rebellen und die Anerkennung des umstrittenen MPLA-Sieges bei den letzten Wahlen von 1992 vorsieht.
Der Eisenbahnanschlag der Unita kommt in einer Zeit, wo sich beide Kriegsparteien radikalisieren. Dies folgt auf die Ablehnung eines Unita-Friedensangebots im Mai durch die Regierung. Auf Savimbis Forderung nach Verhandlungen unter Vermittlung der Kirche antwortete die Regierung, der Unita-Chef solle erst ein Datum für das Kriegsende benennen. Daraufhin rief die Unita die Fortsetzung ihres Kampfes aus. Nach UN-Einschätzungen verdient die Rebellenbewegung trotz UN-Sanktionen nach wie vor 100 Millionen Dollar im Jahr am Handel mit Diamanten. Die Eskalation schlägt sich in den Vertriebenenzahlen nieder: Zwischen Januar und April dieses Jahres verloren laut UNO 110.000 Angolaner kriegsbedingt ihr Zuhause, im Mai und Juni waren es 160.000.
Die jüngsten Ereignisse in der Demokratischen Republik Kongo haben die Unita Morgenluft wittern lassen. Die mysteriöse Ermordung von Präsident Laurent Kabila im Januar und die Einsetzung seines Sohnes Joseph Kabila als Nachfolger schwächte die Position Angolas, das zusammen mit Simbabwe und Namibia die Regierung Kabila militärisch im Kampf gegen Rebellen unterstützt. Simbabwische Militärs beherrschen das Umfeld von Joseph Kabila, während Angolas wichtigster Mann in Kongos Staatsapparat, Eddy Kapend, verhaftet und kaltgestellt wurde. Seitdem fassen die Unita-Rebellen im Regierungsterritorium des Kongo Fuß. Sie haben das diamantenreiche Gebiet um die kongolesische Stadt Tshikapa unmittelbar nördlich von Angolas Nordostgrenze besetzt und handeln dort mit Diamanten.
Angolas Regierung setzt demgegenüber auf verstärkte Zusammenarbeit mit den USA, das aus Angola inzwischen mehr Öl importiert als aus Kuweit. US-Ölmultis und private US-Wachfirmen sind die treibende Kraft hinter Angolas Ölförderung und der militärischen Sicherung von Angolas Offshore-Ölfeldern.
Der Unita-Zuganschlag fällt zeitlich zusammen mit dem Besuch einer US-Delegation, die in Angola klären sollte, ob die Bedingungen für Wahlen gegeben seien. Diese will die Regierung trotz des Chaos im Land im nächsten Jahr abhalten.
DOMINIC JOHNSON
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