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Einbruch bei Online-Brokern

Deutschlands zweitgrößter Internet-Aktienhändler Consors eröffnet den Reigen der Verlustmeldungen. Die Branche sucht ihr Heil nun vermehrt in Allfinanzgeschäften

BERLIN taz ■ Drei Tage Zeit hatte Vorstandschef Karl Matthäus Schmidt den Aktionären der Nürnberger Consors Gruppe gegeben, sich an „voraussichtliche Verluste“ zu gewöhnen. Gestern offenbarte er dann das ganze Elend: 62 Millionen Euro Minus vor Steuern hat der zweitgrößte deutsche Online-Broker im ersten Halbjahr 2001 verbucht, 35 Millionen werden es nach Steuern bleiben. Bis zum Jahresende dürfte sich der Verlust verdoppeln. Und da er schon bei der Vorschau war, erklärte Schmidt noch, was er für die weitere Entwicklung erwartet: „Ich sehe auch für das erste Halbjahr 2002 schwarz.“ Die Aktie knickte trotz der schlechten Zahlen nicht ein, sondern legte nachmittags sogar um 3,6 Prozent zu.

Um weiteren Problemen entgegenzusteuern, will Consors das bereits angelaufene Sparprogramm verschärfen: Bis zum Jahresende werden weitere 180 Stellen im Inland und „eine ähnliche Größenordnung im Ausland“ wegfallen.

Den Verantwortlichen für den Ergebniseinbruch musste Finanzvorstand Uwe Schroeder-Wildberg nicht lange suchen. Mit „die Märkte“ lag er dabei ganz im Trend vieler Analysten, die den Online-Händlern und Direktbanken eine schwere Zeit vorhergesagt haben: Auch bei den Halbjahresbilanzen für Nummer eins und drei in Deutschland, die Commerzbank-Tochter Comdirect und Hypo-Vereinsbank-Ableger Direkt Anlage Bank (DAB), erwarten Experten in dieser Woche Verluste nach Steuern von mehr als 20 Millionen Euro.

Hintergrund ist die Börsenkrise, die es schwer macht, neue Anleger zu gewinnen. 215.000 Neukunden hatte sich Consors-Chef Schmidt für 2001 gewünscht, gestern konnte er netto 23.000 vorweisen, für das zweite Halbjahr rechnet er mit noch einmal höchstens 18.000. Besondere Leistungen, mit denen sich die Online-Händler untereinander abgrenzen können, gibt es kaum. Real-Time-Kurse und Intra-Day-Handel etwa gehören längst zum Standardrepertoire. Einzige Chance sind neue Produkte oder Geschäftsfelder. Und die sehen zumindest die Großen der Branche dort, wo auch die Traditionsbanken hin wollen: im Allfinanzgeschäft. So kooperiert die DAB-Bank seit kurzem mit der Victoria Versicherung. Consors bietet seit Juli eine Fondsberatung an und will im Herbst auch die Beratung zu einzelnen Aktien aufnehmen. Potenzial sieht Consors-Chef Schmidt auch im Rahmen der so genannten Riester-Rente. BEATE WILLMS

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