: Hinter der Tanke wartet der Strandkorb
Sommerloch (4): Mit Dosenbier lässt es sich am Spreeufer im Morgengrauen wunderbar abhängen. Es gibt kaum einen besseren öffentlichen Ort, um einsam oder zweisam zu sein – und irgendwann kann man hier auch schwimmen
Wer die verkrampfte, hektische Coolness im Freischwimmer oder im Club der Visionäre hinter sich lässt und der Kreuzberger Schlesischen Straße zunächst weiter gen Treptow folgt, wird bald belohnt: mit einem weit schöneren Blick auf das Wasser, als es sich die Kanalratten auf der hippen und überfüllten Lohmühleninsel vorstellen können. Denn irgendwo im Niemandsland zwischen Oberbaumbrücke und Treptowers stehen drei Strandkörbe direkt an der Spree, der parkplatzähnliche Betonhof vor der Arena macht’s möglich.
Man muss nicht, wie an der Ostsee, besonders früh kommen, um einen der sechs schönsten Sommersitzplätze der Stadt zu ergattern – im Gegenteil. Spätes Erscheinen sichert einen wunderbaren Blick auf eine rot glühende Sonne, wenn sie über der Treptower Elsenbrücke aufgeht. Spätes Erscheinen hat weitere unschätzbare Vorteile: Das nervige Stimmengewirr, das bis weit nach Mitternacht vom Deck eines nahen Restaurantschiffes herübertönt, ist verstummt; die Theaterbesucher, die Vagina-Monologe zu rezitieren versuchen, schlummern längst in Wilmersdorf und Weißensee; und das Bier, das man von der nahen Aral-Tanke mitbringen kann, ist endlich wieder kühl. Abends kaufen nämlich – wie das in der Nähe halbwegs annehmbarer Sommerwiesen üblich ist – die Görlitzer-oder Treptower-Park-Gänger die Kühlregale an den Tanken leer, und der Nachschub ist wärmer als beim Aldi. Die Tanken machen dennoch ihren Hauptumsatz nicht mit durstigen Motoren, sondern mit noch durstigeren Fahrradfahrern.
Gegen Morgen gibt es kaum einen schöneren öffentlichen Ort als die Arena-Strandkörbe, um einsam oder zweisam zu sein: Das Wasser plätschert ans Ufer, die ersten Vögel zwitschern, und ferner Auto- und Hafenlärm versichern, dass es einen nicht ins wilde Brandenburg verschlagen hat. Niemand regt sich auf, wenn das Handy klingelt, die Tasten beim Simsen klackern oder jemand mit den Möwen um die Wette kreischt. Die Spree schluckt alle Geräusche, und der Strandkorb gibt zusätzliche Ruhe im Rücken. Ein Strandkorb – das sind die eigenen drei Wände auf Zeit; ein Zimmer mit Ausblick, das man je nach Wind- oder Mondscheinrichtung drehen und wenden kann. Strandkörbe bieten sogar ein Dach über dem Kopf – zumindest psychologisch. Bei Regen sieht das an der Arena anders aus.
Nass werden kann man auch im Fluss. Empfehlenswert ist das natürlich nicht, obwohl nach einer lauen Sommernacht Erfrischung durchaus anstehen könnte. Wenn es nach dem Senat geht, brauchen die Strandkorbbesucher nur noch etwas Geduld. Das Spreewasser an der Oberbaumbrücke soll in zehn Jahren Badequalität haben. Die Arena-Strandkörbe würden dann endlich ihren Namen verdienen – wenn sie Wind, Wetter und Investments widerstehen sollten. RICHARD ROTHER
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